Segways: Wenn Füße zu Rollen werden

Motorfahrzeuge haben mit Ausnahme von Rollstühlen mit Elektromotor und Fahrzeugen des Winterdienstes auf Gehwegen nichts zu suchen. Das soll nun anders werden, wenn es nach dem Willen der Firma Segway geht, die eine weltweite Werbestrategie führt, damit die Motorfahrzeuge ganz generell auf Fußgängerflächen zugelassen werden. Einige europäische Staaten haben bereits per Ministererlass verfügt, dass Segways „keine Fahrzeuge“ sind. Andere befinden sich gerade im Entscheidungsprozess, was für Deutschland noch für das Jahr 2007 angekündigt wurde.

Segways sind einachsige Fahrzeuge mit einem Elektromotor und zwei seitlichen Reifen. Die Benutzer/innen stehen etwa 25 cm über dem Straßenniveau und halten sich an einer Lenkstange fest. Das Fahrzeug wiegt etwa 50 Kilogramm und hat eine Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h, kann aber bis zu 26 km/h fahren (1). Momentan sind die Nichtzulassung im Straßenverkehr und der Preis von ca. 5.000 Dollar Barrieren für eine Eroberung der Gehwege. Die Firma Segway setzt auf gefügige Gesetze und darauf aufbauend auf Massenproduktion.

Eine faszinierende Technologie

Das Segway wird zwar in der Werbung als „weltweit erstes selbstbalancierendes Fortbewegungsmittel für Menschen“ gepriesen, ist es aber genauso wenig wie ein Automobil von selbst mobil ist. Der Mensch muss balancieren: Er fährt schneller, je weiter er sich nach vorne beugt, wenn er sich nach rechts kippt nach rechts und wenn er sich nach hinten lehnt, wird gebremst. Vergleichbar mit seinem zweiachsigen Verwandten scheinen die Segways ihre Benutzerinnen und Benutzer offensichtlich in einen Rauschzustand zu versetzen.

So z.B. auch den taz-Autor Hannes Koch (15.5.2007): „Sie sind der Star des Trottoirs. Leicht erhöht schweben sie dahin - eine Attraktion“. Dabei kommt er gar nicht auf die Idee, welche Auswirkungen Segways wohl für Kinder, Senioren, Behinderte und ganz allgemein auf Fußgänger haben könnten. Zeitgeistgedanken lassen häufig keinen Raum für soziale Aspekte.

Das reine Vergnügen

Vorgerechnet wird der geringe CO2-Ausstoß: Segways geben ca. 14 Gramm pro Kilometer des klimafeindlichen Gases in die Luft (Angabe der Firma), das entspricht etwa 1/10 des Ausstoßes eines durchschnittlichen Pkw´s. Wen wundert das, handelt es sich doch um den kleinsten auf dem Markt befindlichen Personenkraftwagen, mit dem kaum zusätzliches Gepäck befördert werden kann. „Der Segway ist... weder ökologisch noch energieeffizient, weil mit einem solchen im allgemeinen Wege zurückgelegt werden, die sonst zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt würden. Er wird kaum Autofahrten ersetzen...“ (2). und ist als Fahrzeug für die üblichen Fahrtzwecke mit Ausnahme des Freizeitverkehrs kaum geeignet. Wenn Segways auf Gehwegen fahren, wird dieses zusätzlich das Klima belastende Vergnügen einzelner dazu führen, dass die Gehwege noch unattraktiver und gefährlicher für Fußgänger werden und diese auf andere Verkehrsmittel und auch aufs Auto umsteigen.

Wirklich Bein-drückend

Beeindruckend ist die Flexibilität der Durchsetzungsstrategie der Firma Segway, die das Fahr-zeug in Deutschland gerne als eine „Mobilitätshilfe“ darstellt, darauf abzielend, die Gesetzgeber könnten es als eine Art „stehender Rollstuhl“ auf Gehwegen zulassen. Das kommt recht dreist daher, z.B.: „Testen Sie den Segway, ein Verkehrsmittel der Zukunft!? Erfahren Sie auf einem Parcours, welche Schwierigkeiten Blinde und Sehbehinderte bei der Mobilität im Straßenraum bewältigen müssen. Sehen Sie, welche neuen Möglichkeiten barrierearme Infrastruktur bieten kann“ (3). Abgesehen davon, dass die Segways auf Gehwegen eine enorme Gefahr für sehr viele Mobilitätsbehinderte und vor allem auf für Sehbehinderte darstellen würden, ist das viel zu schwere Fahrzeug für die meisten Behinderten kaum eine Hilfe.

Die richtige Bedienung setzt eine volle Beweglichkeit und vor allem ein sehr gutes Gleichgewichtsgefühl voraus. Darüber hinaus können die allermeisten Rollstuhlfahrer eben gar nicht stehen und eines der Probleme der Segways dürfte es sein, dass selbst bei gesunden Menschen „Taubheitsgefühle und leichte Schmerzen in Füßen und Beinen auf(traten), bedingt durch das lange, bewegungslose Stehen“ (1). Es ist schon kurios, dass Segways gerade bei sportlichen und gesundheitsbewussten Menschen eine derartige Begeisterung hervorrufen, wo sie doch die Inaktivität und damit auch die Fettleibigkeit fördern.

Ein fahrendes Nicht-Fahrzeug

In den USA „gelang es der Firma Segways durch massives Lobbyieren..., in 33 Bundesstaaten eine Gesetzesänderung zu erwirken, die dem Gefährt das Befahren von Bürgersteigen erlaubt - prinzipiell“. Es wurde zum „Nicht-Fahrzeug“ erklärt. Die Entscheidung vor Ort aber treffen dort die Bürgermeister. Sehr bald folgten Städte San Francisco, wo die Benutzung wegen der Unfallgefahr verboten wurde. „Auf den Bürgersteigen New Yorks ist nicht genug Platz für Fußgänger, geschweige denn Segways“ (4).

Zur Zeit wird Europa intensiv unter Handlungsdruck gesetzt. In Italien, Ungarn, Frankreich und Spanien (Schrittgeschwindigkeit), in Tschechien (max 5 km/h), in Portugal und Griechenland (keine Tempobegrenzung) sind die Fahrzeuge bereits unter Zugrundelegung der für Fußgänger geltenden Regelungen auf Fußgängerflächen zugelassen. In der Regel wurden sie mit einem Ministerialerlass wie in den USA als „keine Fahrzeuge“ deklariert. In Österreich gibt es nur eine Zulassung auf Radwegen (5). Die niederländische Polizei hat dagegen seit dem 1.1.2007 den Gebrauch von Segways auf Straßen, Geh- und Radwegen generell verboten. Da der Segway ein Kraftfahrzeug ist, braucht er nach dem niederländischen Gesetz ein ordnungsgemäßes Bremssystem (6). „Wichtige Märkte wie Großbritannien, Schweiz und Belgien warten die Entscheidung aus Deutschland ab“ (7).

Keine Gefahr für die Bevölkerung

Segways sind Kraftfahrzeuge, für die die Fahrbahnbenutzungspflicht gilt. Bei der derzeitigen Rechtslage in Deutschland ist der Einsatz derartiger Fortbewegungsmittel im Straßenverkehr nicht zulässig. Die Zulassung von Segways beschäftigt den Bund-Länder-Fachausschuss seit etwa fünf Jahren (8). Im August 2006 wurde als Entscheidungshilfe eine Studie der TU Kaiserslautern vorgelegt (1).

Als Testpersonen waren ausschließlich uniformierte Beamte im Einsatz und es gab weniger als eine Stunde effektive Videodokumentation realer Fahrsituationen, ansonsten ging es bei der Erfassung weitestgehend darum, wie die Polizeikräfte mit diesem fahrbaren Untersatz zurecht kamen. Es wurden lediglich die Fahrer/innen und nicht möglicherweise betroffene Fußgänger/innen befragt. Dabei waren zwei Drittel der fortgeschrittenen Testfahrer nicht in der Lage, die für Fahrzeugzulassungen gesetzlich vorgeschriebenen Verzögerungswerte bei Notbremsungen zu erfüllen. Gemessen wurden Anhaltewege von bis zu 4 Meter Länge, Anfänger benötigten bis zu 7,50 Meter. Ein Segway kann übrigens nach Absprung oder Abwurf des Fahrers mindestens zehn Meter weiter rollen, wie ein Eigenunfall eines Testfahrers zeigte. Ungefährlich sind die Segways nach dieser Untersuchung ganz offensichtlich nicht. So werden von 60% der Testpersonen Helme gefordert, sowie von einem Drittel der Testpersonen eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 3 bis 4 km/h und „eine Klingel als Gefahrsignal”.

Fußgänger/innen haben sich mehrmals erschreckt, „gelegentlich kam es zu Interaktionen und selten zu Zusammenstößen”. Es gab in der Testzeit, die nicht mit einer konkreten Betriebsstundenangabe beziffert wird, ein Unfall mit Beteiligung eines Fahrrads und sieben Eigen-unfälle. „Interaktionen und Konflikte mit anderen Verkehrsteilnehmern kamen gelegentlich vor, nach der Erinnerung der Teilnehmer während des gesamten Pilotzeitraums rund zwanzigmal pro Teilnehmer...”. Trotz der aufgetretenen und nur teilweise erfassten Interaktionen und Konflikte mündet das Forschungsprojekt in folgendem Fazit:

  • „Nach der Erfahrung und Einschätzung der Pilotteilnehmer sind die Fahrbahnen von Hauptverkehrsstraßen und Tempo-30-Zonen gar nicht bis bedingt für den Segway geeignet, Radverkehrsflächen, Fuß- und Gehwege, Fußgängerzonen und verkehrsberuhigte Bereiche dagegen sehr.” Die Kernaussage:
  • „Wir empfehlen die Zulassung des Segway mit Schrittgeschwindigkeit (maximal 7 km/h) auf Gehwegen, in Fußgängerzonen und verkehrsberuhigten Bereichen und mit der bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h auf Radverkehrsflächen.”

Leider ist in der Studie, die einige Gefahrensituationen in im Fahrbetrieb dokumentiert, keine überzeugende Grundlage für diese Empfehlung auszumachen. Das Problem, dass eine etwaige Segway-Zulassung ein Präzedenzfall für die allgemeine Zulassung anderer Fahrzeuge auf Gehwegen werden würde, z.B. größere „Scooter” konkurierender Hersteller oder Fahrräder, darf nicht unterschätzt werden.

Darüber erscheint es sehr unrealistisch, die Höchstgeschwindigkeit auf Gehwegen durchzusetzen. Es sind ähnliche Probleme zu erwarten, wie sie schon bei der Mischung von Fahrrad- und Fußgängerverkehr auf schmalen Wegen auftreten. Wenn ein weiterer Konfliktpartner hinzukommt, verschlechtert sich die Ausgangssituation. Da nutzt die (subjektive) Einschätzung der Forscher wenig, das Konfliktpotenzial von Segways sei „unter dem von Fahrrädern oder Inlineskatern anzusiedeln”.

Inzwischen hat etwa die Hälfte der Bundesländer Ausnahmegenehmigungen verabschiedet, die meist ein „langsames” und „rücksichtsvolles” Befahren von Gehwegen und Fußgängerzonen zulassen, darunter Brandenburg, Hamburg, NRW, Rheinland-Pfalz, Saarland und Sachsen-Anhalt.

Bayern ist dabei noch am fußgängerfreundlichsten: Dort dürfen Segways grundsätzlich nur fahren, wo Mofas verkehren dürfen. Mit einer bundeseinheitlichen Regelung wird bis März 2008 gerechnet, nachdem die Mehrheit der Bundesländer eine solche eingefordert hat. Vom Bundesverkehrsministerium ist als Mindestbedingung eine Mofa-Fahrerlaubnis angedacht. Als Verkehrsflächen werden geprüft: 1. Fußgängerwege und –zonen, 2. Fahrradwege und –straßen, 3. Verkehrsberuhigte Bereiche (Zeichen 325 StVO), 4. Fahrbahnen in Tempo-30-Zonen sowie 5. Sonstige innerörtliche Fahrbahnen, soweit keine Sonderwege vorhanden sind.

Räder statt Bleifuß

„Ein Segway verwandelt Füße in Räder und ist das innovativste Fortbewegungskonzept der vergangenen Jahrzehnte“ (9). Die Firma meidet das Wort „Fahrzeug“, das „Gerät“ hat lediglich „statt Muskeln einen Motor.“ Dass sie ganz augenscheinlich darauf setzt, auf Gehwegen zugelassen zu werden, ist selbst in ihrer Werbung erkennbar: „Jeder Segway HT ist so konzipiert, dass er überall funktioniert, wo Menschen gehen.“ (5).

Und wenn böse Skeptiker schon 2002 warnten „auf dem Bürgersteig jedoch...könnte sich der Segway als echter Rentner-Killer erweisen“ (4), so kommen die Senioren als Fußgänger in der Darstellung schlichtweg nicht vor. Senioren sind dagegen die Zielgruppe der Motorisierung und würden doch mit der Benutzung dieses High-tech-Roller häufig überfordert sein. So konnte sich der US-Präsident anlässlich der Feier zum 79. Geburtstag seines Vaters George Bush im Jahre 2003 nur mit einem Sprung vor einem Aufprall retten (10). Der Segway fuhr mit seinem „intelligenten Netzwerk aus Sensoren, mechanischen Komponenten...und Kontrollsystemen“ alleine weiter.

In Kürze

Segways werden laut Potenzialabschätzung in der Studie voraussichtlich zu einer Reduzierung des Fahrradverkehrs und nicht des Kfz-Verkehrs führen. Das kann kein verkehrspolitisches Ziel sein, zumal sich gleichzeitig die Verkehrsbedingungen und die Aufenthaltsqualität insbesondere für Fußgänger und Mobilitätsbehinderte verschlechtern würden. Wenn Segways auf Gehwegen zugelassen oder auch „nur“ toleriert werden, gibt es kaum noch eine verständliche Erklärung dafür, warum das Fahren mit dem Farrad verboten sein sollte. FUSS e.V. schlägt vor, Segways wie Mofas zu klassifizieren und fordert, das Fahren auf Gehflächen weiterhin strikt zu untersagen.

Quellennachweise:

  1. André Darmochwal, Hartmut H. Topp: Segway in public spaces, Institut für Mobilität & Verkehr der Technischen Universität Kaiserslautern (Hrsg.) im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung, vertreten durch die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), April 2006
  2. Marléne Butz: „Segway“ - Ein neues Fahrzeug bedroht die Gehflächen“, in „Fussverkehr“, 2/07, Fussverkehr Schweiz (Hrsg.)
  3. aus einer Einladung zu den Internationalen Verkehrstagen in Wuppertal im März 2007 mit dem Thema: „Verkehrsinfrastruktur für eine alternde Gesellschaft“.
  4. Segway verändert Gesetzbücher, Spiegel-Online, 20.1.2003
  5. www.segway.de > allgemeine Geschäftsbedingungen > Ziffer 8 Zulassung , 1.10.2007, aber Stand Oktober 2005
  6. world-carfree-news_ger, Ausgabe Nr. 39, Januar 2007
  7. Reinhold Eder, Geschäftsführer Urban Mobility Germany, Spiegel-Online 2.4.2006
  8. z.B. Stellungnahme der Straßenverkehrsbehörde Koblenz vom 4.7.2006
  9. Segway in Bayern: Sondergenehmigung ist erster Schritt in richtige Richtung, André Zeitsch, SegwayTour Munich, PR 13.8.2007
  10. Segway-Ausflug - Wie Bush vom Roller fiel, Spiegel-Online, 14.6.2003

 

Dieser Artikel von Bernd Herzog-Schlagk und Arndt Schwab ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 4/2007, erschienen. 

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