Segways: Gesetzesänderung rollt auf uns zu

Wir hatten nach der Berichterstattung über die drohende Zulassung von Motorfahrzeugen auf Gehwegen im letzten Heft keine zweite Folge geplant. Doch die mobilogisch 4/07 war noch nicht gedruckt, da flatterte uns die Androhung einer Unterlassungsklage ins Haus. Deren Verhinderung kostete uns knapp 1.400,- Euro und zeigte, wie „beinhart“ die Firma Segway bei kritischen Anmerkungen über ihre „Stehfahrzeuge“ vorgehen kann. Während Minister Tiefensee am 8. November FUSS e.V. mitteilte, dass er nicht beabsichtige, eine Rechtsverordnung zur Nutzung der Segways im öffentlichen Raum auf den Weg zu bringen, beschloss der Bundesrat schon am 20. Dezember, dass die Länder genau dies vom Bundesminister erwarten.

FUSS e.V. hat im Oktober und noch einmal im November 2007 alle Verkehrsminister der Länder aufgefordert: „Sichern Sie für das Zu-Fuß-Gehen Routen und Flächen, auf denen sich Menschen möglichst gefahrfrei und unbehindert fortbewegen können. Wenn Sie mit den Segways Kraftfahrzeuge auf Gehverkehrsflächen zulassen, können Fußgänger behindert, gefährdet oder sogar verletzt werden. Eine Zulassung würde darüber hinaus Hemmungen bei Radfahrern und Parkplatz suchenden Autofahrern noch weiter heruntersetzen, Fußgängerflächen ordnungswidrig mitzubenutzen. Wir appellieren deshalb noch einmal an Sie, Segways und vergleichbare Motor-Roller bzw. Scooter nur dort zuzulassen, wo bereits ähnliche Motorfahrzeuge, wie z.B. Mofas zugelassen sind.

Wir bestreiten nicht den positiven Umwelt- und Klimaaspekt von leisen Elektrofahrzeugen gegenüber dem Pkw. Zur Erschließung dieser Effekte müssten Sie konsequenterweise eine höhere Geschwindigkeit und damit das Fahren auf Motorverkehrsflächen zulassen, um ein attraktives Angebot zum Umsteigen zu schaffen. Mit z.B. 6 km/h treten Motor-Roller wahrscheinlich nicht einmal für Kurzstrecken mit dem Pkw in Konkurrenz. Mit einer solchen Geschwindigkeit sollte der Mensch allein schon aus Gesundheitsgründen zu Fuß unterwegs sein.“

Mit dem Segway von Land zu Land

Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Sachsen erachteten es nicht als notwendig, zu antworten. Rheinland-Pfalz prüfte und Sachsen-Anhalt erdreistete sich am 5. Dezember mitzuteilen: „Einzelheiten zu Regelungen einer etwaigen Segway-Nutzung auf öffentlichen Straßen werden dort (im Bundesrat)...derzeit nicht diskutiert.“ Dort aber wurde diskutiert und seit dem 23. November lag ein Entschließungsantrag Hamburgs und des Saarlandes vor. Die anderen Bundesländer haben sich mit Schreiben an den FUSS e.V. eindeutig positioniert. Es gibt eine erstaunliche Vielfalt an Standpunkten und eine offensichtliche Einigkeit darin, dass „noch ein erheblicher Diskussionsbedarf besteht und nur eine bundeseinheitliche Lösung durch das zuständige Bundesministerium sinnvoll ist.“ (aus dem Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg).

Fünf sind eher vorsichtig

Das Bayerische Staatsministerium des Innern teilte mit, dass bereits im Juli 2007 eine restriktive Regelung erfolgte und Segways mit den Mofas gleichgestellt wurden. „Aus wohlverstandener Sorge um das Wohl insbesondere von älteren Fußgängern und kleiner Kinder ist zudem die Benutzung von Fußgängerverkehrsflächen durch Segway in unserer Regelung bewusst ausgeschlossen worden.“

Auch in Baden-Württemberg hält man die vorgebrachten „Risiken und Nutzungskriterien...auf öffentlichen Fußgänger-Verkehrsflächen... für wichtig.“ Bis zu einer bundeseinheitlichen Regelung will man die „restriktive Vorgehensweise beibehalten“ mit „bis zu 6 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit als Mobilitätshilfe für nachweislich gehbehinderte Personen...“ („Ersatz-Krankenfahrstuhl“).

In Berlin hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung mit Ausnahme einer touristischen „Stadtführung auf einer festgelegten Wegstrecke“ (max 10 Segways) bisher weitere Zulassungen abgelehnt und mitgeteilt, dass „die Sicherheit der Fußgänger als schwächste Gruppe aller am Verkehr Beteiligten bei allen Betrachtungen oberste Priorität genießt.“

In Hessen sind Segways bereits zugelassen, allerdings nicht in Fußgängerzonen und auf Gehwegen nur dann, wenn es sich um gemeinsame Geh- und Radwege handelt. Dagegen dürfen Segways auf innerörtlichen Fahrbahnen, Fahrradstraßen, Radwegen und in Tempo-30-Zonen gefahren werden.

Eher vage äußerte sich der Freistaat Thüringen, dass er die Nutzung von Gehflächen für denkbar hält „(z.B. Stadtführung)“.

Sechs sind sich recht sicher

Die Befürworter der Zulassung von Segways auf Fußgängerflächen beziehen sich auf die in der mobilogisch! 4/07 dargestellten Studie und folgern daraus, dass „die bisherigen Erfahrungen keine negativen Auswirkungen gezeigt haben.“, so z.B. der Minister für Infrastruktur und Raumordnung Brandenburg. Er hat „keine Bedenken gegen die Zulassung dieses innovativen Verkehrsmittels, zumal es umweltfreundlich ist und gehbehinderten Verkehrsteilnehmern die Teilnahme am Straßenverkehr erleichtert.“

In Hamburg wurden darüber hinaus durch Ausnahmegenehmigungen „eigene praktische Erfahrungen im Alltag gesammelt“ und aufgrund dieser spricht sich die Behörde für Inneres nicht nur für eine generelle Zulassung auf Fußgängerflächen aus, sondern für sie sind Segways Fußgänger: Segways führen nicht zu „Konflikten mit anderen Fußgängern.“

In Nordrhein Westfalen werden Ausnahmegenehmigungen erteilt, nach denen „Fußgängerverkehrsflächen nur dann benutzt werden (dür-fen), wenn diese durch Zeichen 240 mit dem Radweg verbunden sind, oder keine Radwege vorhanden sind.“ Da bekanntlich zahlreiche Straßen keine Radwege haben, bedeutet dies eine Freigabe der Gehwege. Das Saarland erteilt ebenfalls Sondergenehmigungen unter der Bedingung, „dass der Fahrer in Bedienung und Steuerung eingehend geschult wurde, Fußgänger dürfen weder gefährdet noch behindert werden; wenn nötig muss der Segway-Fahrer warten.“ Damit wurde sozusagen die Schutzregel für Fußgänger auf Fahrbahnen (StVO §1(2) auf Gehwege übertragen, was ja auch logisch ist, wenn man Gehwege zu Fahrbahnen macht.

In Schleswig-Holstein wurden Segways seit Anfang Dezember 2007 eigentlich auf allen Verkehrsflächen zugelassen, Ausnahme: außerörtliche Fahrbahnen, Kraftfahrstraßen, Autobahnen (schade eigentlich).

Der Senator für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa der Freien Hansestadt Bremen reagierte als einziger bundesdeutscher Minister der Grünen besonders erfreut: „keine Abgase, kein Lärm, geringer Flächenverbrauch“. Woraus er umgehend folgerte: „Ich... stehe daher auch einer Nutzung auf Fußgängerverkehrsflächen positiv gegenüber.“ Er beantwortete die vom FUSS e.V. angeschnittene Fragestellung mit dem „geringen Konfliktpotenzial.., das unter dem von Fahrrädern oder Inlineskatern anzusiedeln ist“, ohne anzugeben, wie er darauf käme. Er räumte ein, dass sich die Studie auf eine knappe Versuchsdauer von ca. drei Monaten bezieht „und die Anzahl der eingesetzten Segway (ca. 10) so gering war, dass ein wissenschaftlichen Maßstäben genügender Versuchsablauf zumindest in Frage gestellt werden könnte.“ Und jetzt kommt etwas, was zum Nach- und Weiterdenken Anlass geben sollte: „Ursprüngliche Überlegungen der Bundesanstalt für Straßenwesen, ein Forschungsvorhaben mit einer Dauer von 18 Monaten durchzuführen, hätte Kosten in Höhe von ca. 100.000 Euro ausgelöst und wären von der Firma Segway nicht mitgetragen worden.“

Fazit

Man kann zur Zeit von einer Durchsetzung nach dem Chaos-Prinzip unterschiedlichster und teilweise kurioser Länder-Regelungen ausgehen. Abzusehen ist nicht, ob es dabei bleiben wird, sich auf eine zumindest unzureichende Studie zu berufen. Erkennbar ist, dass mit einer möglichen Zulassung von Motorfahrzeugen auf Gehwegen auch eine Veränderung des Charakters der Gehflächen einher gehen wird. Die meisten Bundesländer stehen „technischen Neuerungen und innovativen Ideen grundsätzlich offen gegenüber“ (Rheinland Pfalz), wenn sie sich nur nicht auf den Autoverkehrsflächen abspielen.

 

Dieser Artikel von Bernd Herzog-Schlagk ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 1/2008, erschienen. 

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