Verkehrsrecht
Bußgeldkatalog-Novelle 2009- Reaktionen des Bundesverkehrsministeriums und der Bundesländer
Bußgelder sollen auch herabgesetzt werden, Teil 2
In der letzten mobilogisch! berichteten wir über die anstehenden Änderungen des Bußgeldkatalogs für Verstöße im Straßenverkehr. Das Bundesverkehrsministerium plante, die „differenzierte Anhebung der Geldbußen“ bis zum 1.1.2008 über die parlamentarisch-bürokratischen Hürden gebracht zu haben. Da Sie, werte Leserinnen und Leser, nichts davon in den Tagesmedien gehört haben, wissen Sie auch, dass dieser ehrgeizige Plan nicht geklappt hat.
Der Stand
Der Entwurf des Bundesverkehrsministeriums BMVBS „hängt“ im Augenblick zwischen Bundesrat und Bundesregierung. Im Dezember tagte eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Thema „Bußgeldkatalog-Reform“. Die Ergebnisse dieses Gesprächs wurden jedoch unter Verschluss gehalten. Eine Einigung sollte inoffiziell bis Januar erfolgen.
Gerüchten zu Folge scheinen sich unsere Befürchtungen zu bestätigen, dass am Ende die geplanten Erhöhungen der Sanktionen gegen Raser wieder reduziert und die geringen Bußgelder unverändert bleiben werden: So sollen Sanktionen bei Tempoüberschreitungen von bis zu 20 km/h innerorts nur noch um fünf auf 40 Euro erhöht werden.
Wir sind nicht allein
Da sich FUSS und UMKEHR bei den sehr kurzfristig erbetenen Abgabeterminen für die Stellungnahmen der Verbände im November allein auf weiter Straße wähnten, gaben wir unseren Kommentar beim BMVBS nicht nur, wie es sich gehört, vornehm ab, sondern versuchten über ein breit gestreutes Mailing und Schreiben an die zuständigen Landesministerien Druck zu erzeugen. Dabei kam Erfreuliches, Unangenehmes, auf jeden Fall Unerwartetes zu Tage:
Wir waren auf jeden Fall nicht die Einzigen, die kritisch die „Preisnachlässe“ für Autofahrer bei Verstößen gegen Fußgänger, Radfahrer, ÖPNV und Umwelt kommentierten. Der VCD gab ebenfalls einen Beitrag ab, in dem er forderte den Tatbestand des Vorsatzes auch bei innerörtlichen Geschwindigkeitsübertretungen und Parken auf Geh- und Radwegen einzuführen. Der Verband fordert für die letztgenannten Ord-nungswidrigkeiten „einen Regelsatz von mindestens 70, besser 100 .“ Weiterhin weist er darauf hin, dass die Bußgelder keinesfalls unter den Vollzugskosten liegen dürften. In diesem Zusammenhang sollten die Verwaltungsgebühren auf 65 Euro angehoben werden, auch allein um das Unterlaufen der Bußgelder beim Eintreten der Halterhaftung zu unterbinden.
Angeregt durch unsere Öffentlichkeitsarbeit gab auch die Vereinigung der Stadt-, Regional- und Landschaftsplaner SRL eine Stellungnahme ab, für die sie sogar eine Fristverlängerung gewährt bekam. Die SRL hob insbesondere auf den Fort-fall des Tatbestandes der Behinderung bei vielen Arten von Parkverstößen ab, womit die Buß-geldhöhe effektiv reduziert werde.
Eine kleine Sensation war es für uns, dass selbst der Verband der Motorjournalisten eine Pressemitteilung in unserem Sinne herausgab, in der er die Kritik „eines großen Automobil-clubs für nicht nachvollziehbar“ erachtete.
Reaktion des BMVBS
Ulrich Kasparick, parlamentarischer Staatssekretär beim BMVBS verteidigte uns gegenüber den Entwurf. Die geplante „leichte Absenkung um höchstens 5 Euro (..) lässt kaum einen negativen Einfluss auf das Verhalten der Verkehrs-teilnehmer erwarten.“ In einem gewissen Sinn hat er natürlich damit Recht: Was vorher schon mit zu billigen 25 Euro Verwarnungsgeld geahndet werden konnte, hätte in Zukunft mit 20 Euro wohl genauso wenig Auswirkungen wie zuvor. Da jedoch die Kommunen zur Zeit darauf drängen, die Parkgebühren in den Parkraumbewirtschaftungszonen erhöhen zu dürfen, wird es mit dem geplanten Nachlass bei vielen Autofahrern zu betriebswirtschaftlichen Abwägungen kommen: Lieber nimmt man dann ein eventuelles, geringes Bußgeld in Kauf als regelmäßig teure Parkgebühren zu entrichten.
Der VCD geht in seiner Stellungnahme davon aus, dass gerade im Lieferverkehr die Bußgelder „von vorneherein einkalkuliert“ werden. Das Ordnungswidrigkeitengesetz schreibt jedoch vor: „Die Geldbuße soll den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen.“ Allein aus dieser Vorschrift kann eine Erhöhung der Geldbußen für Falschparken gefolgert werden!
Ulrich Kasparick verweist weiter darauf, dass die geplant verbilligten Tatbestände nur bei unterstellter Fahrlässigkeit erhoben würden, also ohne dass der „Betroffene die Folgen bewusst in Kauf genommen“ habe. - Auch ohne böswillige Interpretation kann man hier eine Windschutzscheibenperspektive unterstellen: Betroffen vom behindernden Falschparken sind nun mal z.B. Rollstuhlfahrer und nicht die Autofahrer, die nur mit einem geringen Sanktions-risiko rechnen müssen. Angesichts der man-gelnden Kommunikation der Auswirkungen des Falschparkens in der Öffentlichkeit kann man z.Z. dem Autofahrer tatsächlich fahrlässige Ahnungslosigkeit unterstellen. Diese Haltung und Unwissenheit wird durch die Senkung der Bußen jedoch weiter gefördert.
Bedingt zu Recht verweist der Staatssekretär auf geplante „erhebliche Anhebungen der Geldbußen“ bei fußgängerrelevanten Fehlverhalten von Autofahrern: „Teilweise auf das Doppelte der heutigen Regelsätze“ sollen fehlende Rücksichtnahme auf schwächere Verkehrsteilnehmer im Allgemeinen, beim Abbiegen, beim Fahren aus einem Grundstück und Fehlverhalten an Zebrastreifen geahndet werden. Mit seiner Aussage „auf das Doppelte“ hat der Staatssekretär ein wenig übertrieben: Verdoppelt wurde keines der genannten Bußgelder, idR wurden die Sanktionen um ein bis zwei Drittel angehoben.
Reaktionen der Länderministerien
Immerhin die Hälfte der angeschriebenen Landesministerien antworteten uns, wobei jedoch wiederum davon die Hälfte lediglich rein formale Schreiben schickten.
Der Innensenator von Hamburg stellte klar, dass ein parteiübergreifender Beschluss der Bürgerschaft im Jahre 2005 die Reformierungsbemühungen auf Bundesebene in Gang brach-ten. Außerdem wies er darauf hin, dass Hamburg – wie von FUSS e.V. stets gefordert - „zunächst auch für eine Erhöhung der Verstöße im ruhenden Verkehr plädiert hatte. Allerdings haben die Beratungen auf Ebene der Verkehrsministerkonferenz gezeigt, dass eine Erhöhung gegenwärtig nicht konsensfähig wäre.“ Um das Gesamtvorhaben nicht zu gefährden, sei man von dieser Forderung zurückgetreten.
Das will das Saarland laut einem Schreiben vom 23.10. jedoch nicht tun: „Die geplante Absenkung des Sanktionsniveaus für gewisse Halt- und Parkverkehrsverstöße mit Behinderungen, die auch zu konkreter Gefährdung von Fußgängern führen können, kritisieren Sie zu Recht. Ihr werden wir im weiteren Gesetzgebungsverfahren auch nicht zustimmen.“ Das Land Berlin sieht das ähnlich und hat in seiner eigenen Stellungnahme „eine Erhöhung (für relevante Parkverstöße) wie im ursprünglichen Entwurf vorgesehen“ gefordert. Schließlich schrieb uns das rheinland-pfälzische Innenministerium, man habe die ausbleibende Erhöhung der Sanktionen beim Falschparken „in Übereinstimmung mit (...) auch einer Reihe anderer Bundesländer bedauert.“
Zumindest wissen wir nun also von vier Bundesländern, die eigentlich eine Erhöhung der Geldbußen fürs Falschparken wollen. Da sollte doch noch was zu machen sein im weiteren parlamentarischen Ablauf bei der Umsetzung der Reform!
Soziale Aspekte
Die Verordnung zum Bußgeldkatalog für Verwarnungsgelder und das Ordnungswidrigkeitengesetz sehen lediglich kursorisch eine Berücksichtigung der finanziellen Lage der Verwarnten vor:
- „Ist im Bußgeldkatalog ein Regelsatz für das Verwarnungsgeld von mehr als 20 Euro vorgesehen, so kann er bei offenkundig außergewöhnlich schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen bis auf 20 Euro ermäßigt werden.“ (1)
- „Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters kommen in Betracht; bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten bleiben sie jedoch in der Regel unberücksichtigt.“ (2)
Ende letzten Jahres wurde zu diesem Aspekt eine Petition beim Bundestag vorgelegt. Die Begründung lautete: „Ein Bußgeld für eine Ordnungswidrigkeit sollte Jeden in etwa gleich schwer treffen bei identischem Vergehen. Offensichtlich ist jedoch ein Bußgeld in einer bestimmten absoluten Höhe für einen Hartz IV-Empfänger oder einen Studenten eine weitaus gravierendere Belastung als zum Beispiel für einen Manager. Daher sollte man die Bußgelder an das Einkommen des Beschuldigten anpassen, dazu bieten Tagessätze (1/30 des Monatseinkommens) ein adäquates Werkzeug. Dadurch wird eine Gerechtigkeit wiederhergestellt, die sich mit absoluten Bußgeldbeträgen nicht erreichen lässt.“
Die Unterzeichnungsfrist ist Mitte Dezember abgelaufen, die Petition wurde nur von 280 Personen unterstützt und befindet sich z.Z. in der Bearbeitung des Petitionsausschusses. Fraglich ist, ob sich der Bundestagsausschuss dem Wunsch anschließt, schließlich ist der Verwaltungsaufwand zur Feststellung der Einkommensverhältnisse nicht unbeträchtlich – und das bei Ordnungswidrigkeiten...
Verwendung der Bußgelder
Die Bußgelder fließen in die Haushalte der Länder und Kommunen; die Aufteilung ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt. Die Verkehrsministerkonferenz hat im Rahmen dieser Bußgeldreform sich dafür eingesetzt, dass die Mehreinnahmen „für Zwecke der Verkehrssicherheitsarbeit eingesetzt werden“. (3) Da in der Begründung für die Gesetzesänderung die Notwendigkeit einer „nachhaltigen Überwachung“ aufgrund positiver Erfahrungen von Nachbarstaaten gefordert wird, könnte das Geld vielleicht tatsächlich in die Tempo- und Falschparkkontrolle fließen. Da sind jedoch die Finanzminister der Länder vor, die das strikt ablehnen.
In Kürze
Erwartungsgemäß wurde die Bußgeldkatalog-Reform nicht zum 1.1.08 „über die Bühne gebracht“, jedoch laufen die Vorbereitungen weiter. Weiterhin stehen neben den erhöhten Bußgeldern für Raser Preisnachlässe für Fehlverhalten gegenüber Fußgängern im Entwurf. Einige Bundesländer haben uns mitgeteilt, dass sie eigentlich für höhere Bußgelder beim Parken auf Geh- und Radwegen seien.
Quellennachweise:
- Verordnung über die Erteilung einer Verwarnung, Regelsätze für Geldbußen und die Anordnung eines Fahrverbots wegen Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr, § 2 (5)
- § 17 Abs. 3 OWiG: (3), Satz 2
- Referentenentwurf „Gesetz zur Änderung des StVG und des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten“, Begründung
Dieser Artikel von Stefan Lieb ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 1/2008, erschienen.
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Bußgeldkatalog-Novelle 2009: Hintergrundinformationen über die Wünsche der Fußgängerlobby
Bußgelder sollen auch verringert werden
Das Bundesverkehrsministerium möchte das Straßenverkehrs-, das Ordnungswidrigkeitengesetz und die Buß-geldkatalog-Verordnung (BKatV) verändern. Der Blick wird auf Autobahnen und Außerortsstraßen gelenkt. Die Presse brandmarkt wunschgemäß die Verdoppelung bestimmter Bußgeldsätze als „Abzockerei“ und liest sich natürlich nicht den 85-seitigen Referentenentwurf durch. Wir haben etwas genauer hingeschaut und bieten ein Kontrastprogramm zu den aufgebrachten Tagesmedien:
Ist denn die Höhe des Bußgeldes tatsächlich so wichtig? Das Bundesverkehrsministerium sagt ja: „Um zu einer effektiveren Wirkung der Durchsetzungsmaßnahmen zu gelangen, stehen zwei Ansatzpunkte zur Verfügung. Es sind dies die Intensität der Verkehrsüberwachung und die Wirksamkeit der Sanktionen, wobei letztere maßgeblich von ihrer Höhe abhängt.“ (1)
Euro ist überall Teuro
Der Gesetzgeber will mit den Neuerungen eine „Grundlage schaffen für eine stärkere Differenzierung ... in Abhängigkeit von deren Bedeutung und Vorwerfbarkeit.“ (1) Außerdem hatte er noch zwei weitere Beweggründe:
- Zum Großteil stammen die Regelsätze noch aus dem Jahr 1989. Allein durch die Inflation wurden die Bußgelder im Lauf der Zeit entwertet; Löhne und Preise sind um mehr als ein Drittel gestiegen. Eine Anhebung um den Faktor 1,4 wäre also lediglich ein Inflationsausgleich.
- Da das Verkehrsministerium jedoch die Bußen nicht linear, sondern nach der Bedeutsamkeit der Verstöße gegen die Verkehrssicherheit differenzieren will, entstanden so leichte Senkungen und teilweise Verdoppelungen der Sätze.
- Schließlich können nach einer EU-Regelung Bußgeldsätze unter 70 Euro im EU-Ausland nicht mehr vollstreckt werden. Eine Anhebung auf diesen „Mindestsatz“ war also für viele Verstöße bereits deshalb nötig.
Zu denken gegeben hatte dem Ministerium auch, dass in den EU-Staaten mit der besten Unfallbilanz (Niederland, Schweden) die Regelsätze deutlich höher sind als hierzulande und zwar etwa um das Doppelte. Dieser Umstand hatte der CDU und der Autolobby nicht zu denken gegeben, sie sprachen von „Abzockerei“. Doch erstens sollen laut Beschluss der Verkehrsminister die (Mehr)Einnahmen durch Bußgelder für die Hebung der Verkehrssicherheit verwendet werden und zweitens kann nur der abgezockt werden, der erwischt wird. Damit sieht es in Deutschland jedoch schlecht aus: Die Wahrscheinlichkeit, bei einem Verstoß von der Polizei „ertappt“ zu werden, ist gering.
Ist sparen immer gut?
Mit einer Neustrukturierung des derzeitigen Bußgeldkataloges sollen „etwa 80 Tatbestände eingespart“ werden. Während sich die Medien über die geplante Erhöhung der Bußgelder für Autofahrer ereifern, soll offensichtlich an Stellen gespart werden, wo immer schon gespart wurde und wird, bei Konflikten zwischen dem Auto- mit dem Fuß- und Radverkehr. Dort können sich die Autofahrer auch in Zukunft „leichte Zuwiderhandlungen“ zu Niedrigpreisen leisten. Das kann nach Auffassung des Bundesverkehrsministeriums „hingenommen werden“. (2) Dies Kuriosum soll beispielhaft belegt werden:
Kostengünstiges Falschparken
„Rechtswidriges Parken mit Behinderung“ nur kurz oder „länger als 1 Stunde“ sind „geringfügige Ordnungswidrigkeiten ohne nennenswerte Bedeutung für die Verkehrssicherheit“ (3) Im Rahmen der Veränderungen des Bußgeldkataloges zum 1. April 2004 wurde hervorgehoben, dass insbesondere für den „Bereich des rechtswidrigen Parkens ein massiver Bußgeldtatbestand geschaffen wurde.“ (4) Dieser Vorsatz scheint vom neuen Bundesverkehrsminster nicht weiter verfolgt zu werden.
Wer sein Auto auf Geh- oder Radwegen unzulässig parkt, kann sich von seinen oder ihren schweren Selbstvorwürfen weiterhin mit be-scheidenen 15 Euro freikaufen. Wenn vom Fahrzeug eine Behinderung ausgeht, weil z.B. ein Rollstuhlfahrer festgeklemmt ist, muss derzeit 25, nach inkrafttreten des neuen BKat nur noch 20 Euro bezahlt werden. Dauert die Behinderung länger als eine Stunde, unser bedauernswerter Rollstuhlfahrer steckt noch immer fest, soll dies auch nicht mehr wie bisher 35 sondern nur noch 30 Euro kosten. Wer heute einen Menschen durch einen abgestellten Pkw behindert muss 25 Euro zahlen. Für den gleichen Preis soll es künftig möglich sein, eine körperliche „Gefährdung“ auszuüben.
Wer allerdings mit seinem parkenden Fahrzeug nicht nur Menschen behindert oder gar gefährdet, sondern sogar Sachbeschädigung verursacht, wird deutlicher zur Kasse gebeten. Wenn die Bananen des Obstladens beim Einparken auf dem Gehweg-Parkplatz zu Matsch gefahren werden, dann sollen unsere Ordnungshüter sehr streng werden und sogar 35 Euro fordern.
Wer sein Auto an einer unübersichtlichen Straßenstelle mit Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer parkt, soll statt derzeit 25 nur 20, bei länger als einer Stunde statt 35 nur 25 Euro bezahlen. Eine ähnliche Bußgeldminderung soll offensichtlich zum Parken in den 5-Meter-Bereichen an Kreuzungen und Einmündungen und im 15-Meter-Bereichen vor Haltestellen animieren, den aus der Sicht der Verkehrssicherheit und des Querungskomforts neuralgischen Punkten für den Fußverkehr. Sie sind weiterhin mit 10 Euro dabei, dauert dieser Parkvorgang mit Behinderung über mehr als drei Stunden an, soll das Bußgeld von derzeit 30 auf 25 Euro vermindert werden. Das Falschparken in verkehrsberuhigten Bereichen soll dagegen mit zehn Euro weiterhin in Parkgebühren-Nähe verbleiben.
Gehwegfahren teurer
Wer zu seinem billiger werdenden Parkplatz auf dem Gehweg kommen möchte, muss häufig auf dem Gehweg fahren. Und hier liegt die echte Ungerechtigkeit für Autofahrer im neuen Bußgeldkatalog-Sytem: 100 % mehr! Müssen bisher für die vorschriftswidrige Gehwegbenutzung durch Fahrzeuge fünf zahlen, soll der Betrag nun auf zehn Euro aufgestockt werden.
Nur, wenn damit ausnahmsweise eine Gefährdung von Fußgängern einher geht, bleibt der Betrag unverändert bei 20 Euro. Deutlich teurer soll es werden, wenn Kraftfahrer z.B. beim Wenden und Rückwärtsfahren bspw. auf dem Gehweg einen Fußgänger gefährden: Jetzt 50, neu 80 Euro. Wenn man allerdings die Polizei überzeugt, dass man sich im Einfahrvorgang aus einem Grundstück befindet, soll das Bußgeld mit 45 Euro festgelegt werden.
Weitere „Geringfügigkeiten“
Unzulässiges Halten z.B. mitten auf einem Zebrastreifen oder im 5-Meter-Bereich davor, wird weiterhin mit lächerlichen zehn Euro geahndet. Dass dieses Fehlverhalten wegen der Verdeckung der Sichtachse auf die Fahrbahn für die Fußgänger gravierende Folgen haben kann, wird in den „Richtlinien für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen“ deutlich dargestellt, die ebenfalls vom Bundesverkehrs-ministerium herausgegeben wurden. (5) Wer trotz stockenden Verkehr noch schnell wei-ter-fährt und dann auf dem Fußgängerüberweg zu Stehen kommt, soll auch zukünftig nur fünf Euro zahlen. Es wäre interessant zu erfahren, ob dieses Verhalten jemals geahndet wurde.
Wenn der Gesetzgeber dem Aufreißen der Autotür in Fahrbahnrichtung ohne Beachtung des Radverkehrs eine „nennenswerte Bedeutung“ abspricht, handelt er nach unserer Auffassung grob fahrlässig. Wer hält nicht bei jeder zweiten Stadtfahrt mit dem Fahrrad den Atem an, wenn man diese Gefährdung mal wieder lebend überstanden hat? Weiterhin zehn Euro, so man sich jemals dabei erwischen lässt.
Behinderungen des öffentlichen Personenverkehrs werden vom Ministerium ebenso als geringfügige Ordnungswidrigkeiten eingestuft: Für das Halten im Fahrraum von Schienenfahrzeugen gilt derzeit der Regelsatz von 20 Euro, der nicht erhöht und bei Behinderung sogar von derzeit 30 auf 25 Euro vermindert werden soll. Noch deutlicher heruntergesetzt werden soll die unberechtigte Benutzung von Sonderfahrstreifen für Omnibusse des Linienverkehrs (Busspuren) mit Behinderung von 35 auf 20 Euro. Der Vollständigkeit halber sollte erwähnt werden, dass das Falschparken an U-Bahn-Notausstiegen, auf Behindertenparkplätzen und auf Feuerwehrzufahrten auf 100 Euro verdop-pelt werden soll.
An den Umweltsünden geht die Erhöhung der Bußgeldbeträge schon allein aufgrund der allgemeinen Geldentwertung vorbei: Wer bei der Benutzung eines Fahrzeuges unnötigen Lärm erzeugt oder vermeidbare Abgasbelästigungen verursacht, soll dafür auch weiterhin mit zehn Euro büßen, so sich eine Ordnungskraft findet, die damit sich abzugeben bereit ist.
Teuerungen
Pikant ist auch angesichts dieser Änderungen gegen Fußgänger und Radfahrer, dass der Regelsatz der Verwarnungsgelder zwar bei Fußgängern unverändert bei fünf Euro bleibt, der für Radfahrer jedoch um ein Drittel auf 15 Euro erhöht werden soll. Die Nichtbenutzung markierter Schutzstreifen soll sogar auf 20 Euro verdoppelt werden. Ebenfalls teurer kann das Abbiegen werden: Wer nicht an der rechten Seite des in gleicher Richtung abbiegenden Fahrzeugs bleibt und wer beim Linksabbiegen nicht absteigt, obwohl es die Verkehrslage erfordert, zahlt fünf Euro mehr.
Interessant ist, dass das Verhalten beim Rechts-abbiegen mit Grünpfeil so unproblematisch ja dann doch nicht zu sein scheint, wie es uns immer erklärt wird. Hier soll es deutliche Buß-gelderhöhungen geben: Wer als Rechtsabbie-ger beim Grünpfeil nicht vorher anhält, soll statt derzeit 50 zukünftig 70 Euro zahlen, wer Fußgänger und Radfahrer behindert oder den übrigen Fahrzeugverkehr gefährdet 100 (bisher je 60 Euro).
Fazit
Die Gesetzgeber sind auf einem Auge blind: Verstöße gegen die Sicherheit von Fußgängern und Radfahrern sollen nur geringfügig angehoben, niedrig gehalten oder sogar noch vermindert werden. Das ist der tatsächliche Skandal und nicht die in den Medien hochgespielte „Abzockerei“ der Autofahrer. Darüber hinaus soll die Sachbeschädigung mit deutlich höheren Bußgeldern belegt werden als die Behinderung oder gar Gefährdung von Menschen zu Fuß oder mit dem Rad. Mit einer umfassenden Verkehrssicherheitspolitik zum Schutz der besonders unfallgefährdeten Verkehrsteilnehmer hat das nichts zu tun.
Angesichts des starken Gegenwinds durch die Auto-Lobby besteht die Gefahr, dass die Erhöhungen der Bußgeldsätze bei Tempo- und Abstand-Verstößen reduziert und die kritikwürdigen Senkungen und Ausnahmen vom Koalitionspartner und den Ländern abgenickt werden. Minister Tiefensee stellte den Entwurf auf der Verkehrsminister-Konferenz VMK am 9.+10. Oktober 2007 zur Diskussion und die Medienberichterstattung lässt vermuten, dass die Umsetzung recht schnell vonstatten gehen könnte.
Die Stellungnahmen der Verbände wurden bis zum 25. Oktober erbeten, ohne Angabe darüber, was mit dieser „stillen Post“ geschehen wird. Allein schon das Verfahren lässt erahnen, dass eine Hinterfragung des „heimlichen Lehrplanes“ des Bußgeldkataloges nicht erwünscht ist. Immerhin traf sich der Bundestagsausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bereits einen Tag zuvor, am 24. Oktober. FUSS e.V. hatte im Jahr 2001 eines der umfassendsten Änderungsvorhaben der Straßenverkehrs-Ordnung StVO unter dem damaligen Motto des Bundesministeriums „Weniger Verkehrszeichen - Mehr Verkehrssicherheit“ zu Fall gebracht. Damals sollten unter einem unverfänglichen Etikett hauptsächlich Regelungen zum Schutze des Fußverkehrs demontiert werden.
Mit dem vorliegenden Referentenentwurf können keine Rechte demontiert werden, die stehen in der StVO. Mit dem Bußgeldkatalog aber werden die Rechtsbrüche bewertet und damit auch die Regeln für mehr oder weniger wichtig erachtet. Anknüpfend an die Formulierung, dass differenziert werden soll nach der „Vorwerfbarkeit“ halten wir diese Vorlage für verwerflich, weil die Schere unabhängig von den möglichen Folgen für die Verkehrsteilnehmer auseinanderklafft:
Wer durch ein falsch geparktes Fahrzeug im Bereich eines Fußgängerüberganges in einem Kreuzungsbereich mehr als drei Stunden lang Fußgänger zumindest behindert aber eben in der Regel auch gefährdet wird derzeit mit 30 Euro, im Entwurf nur noch mit 25 Euro „eingestuft“. Wer aber die Vorfahrt nicht beachtet und einen anderen vorfahrtberechtigten Kraftfahrer gleichfalls „nur“ behindert, soll statt bisher mit 25 nun mit 50 Euro zur Kasse gebeten werden. Rein zahlenmäßig steht das Vergehen gegen die Fußgänger zur Zeit bei 120 % gegenüber dem Vergehen gegen einen einzelnen Kraftfahrer und es soll auf 50 % gesenkt werden.
Die Summe der Aufwertungen der Bußgeldbeträge in den sogenannten „Abzockbereichen“ bei gleichzeitiger Stagnation oder Verminderung im Bereich der Vergehen gegen Fußgänger und Radfahrer kann nur als ein Signal verstanden werden zur Umdefinition von teilweise höchst gefährlichen Verhaltensweisen zu einem „Kavaliersdelikt“. Damit wird noch eine Zunahme der flächenmäßigen Nichtverfolgung solcher weniger bedeutenden Vergehen einhergehen. Die Praxis städtischer Polizei, per Rundschreiben gar nicht mehr auf Vergehen im Niedrigsektor der Bußgelder aktiv zu werden, ist bekannt. Was da unter dem Titel „Verbesserung der Verkehrssicherheit“ daherkommt, ist mehr als eine Mogelpackung.
In Kürze
Im Schnellverfahren wird derzeit eine Gesetzes-änderung durchgeführt, in der rechtswidriges Verhalten gegenüber den Verkehrsteilnehmern im Umweltverbund als eher „bedeutungslos“ und von geringerer “Vorwerfbarkeit“ dargestellt und gegenüber dem motorisierten Verkehr ver-teuert wird. Es ist höchste Zeit zu intervenieren!
Quellennachweise:
- Referentenentwurf, Gesetzentwurf der Bundesregierung: Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, Stand 26.06.2007
- Dr. Frank Albrecht, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Verbände-Anschreiben vom 17.09.2007
- Dr. Frank Albrecht, Antwort auf eine Nachfrage durch die mobilogisch!-Redaktion vom 2.10.2007
- Winfried Thubauville, Vorwort: Bußgeldkatalog auf einen Blick, Bundesanzeiger Verlag, 2004
- BMVBW (Hrsg.): R-FGÜ 2001
Dieser Artikel von Bernd Herzog-Schlagk und Stefan Lieb ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 4/2007, erschienen.
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Bußgeldkatalog-Novelle 2009: Einschätzung der Veränderungen aus der Sicht des Fußverkehrs
Erfolg der Lobbyarbeit zum Bußgeldkatalog
Ende 2007 hat der FUSS e.V. eine Stellungnahme für die geplante Veränderung des Bußgeldkataloges abgegeben, der zum 1.1.2008 in Kraft treten sollte. Der Entwurf verursachte wegen seiner vermeintlichen „Autofeindlichkeit“ einen erheblichen Medienrummel und vehemente Einsprüche der Autolobby, so dass er auf 2009 verschoben wurde. Für uns war problematisch, dass im Gegensatz zu den geplanten Erhöhungen der Sanktionen für „Raser und Drängler“ die Regelsätze für Verstöße gegenüber Fußgängern, Radfahrern und öffentlichen Verkehrs-mitteln weiterhin niedrig gehalten oder sogar um bis zu 20 % gesenkt werden sollten. Am 21. Mai wurde der neue Bußgeldkatalog vom Bundeskabinett beschlossen, indem die geplanten Bußgeldsenkungen nicht mehr enthalten sind.
Ein Erfolg unserer Lobbyarbeit, zumal die fehlende „Rücksichtnahme auf schwache Verkehrsteilnehmer“ und das „Fehlverhalten an Fußgängerüberwegen“ von 50 bzw. 60 auf immerhin 80 Euro angehoben werden sollen. Ein Erfolg aber leider auch der Autolobby. Sie konnten erreichen, dass zu den Tatbeständen „Unzulässiges Parken“ keine Bußgelderhöhungen vorgesehen sind und dass sie zu „Geschwindigkeit“, „Abstand“ und „Überholen“ weniger deutlich ausfallen sollen.
Angesichts der hohen Zahl der Fußgängerverkehrsunfälle in Deutschland bleibt es weiterhin ein Skandal, Parken an unübersichtlichen Straßenstellen, in 5-Meter-Bereichen an Kreuzungen und Einmündungen oder auf Gehwegen mit Behinderung von Fußgängern als „geringfügige Ordnungswidrigkeiten ohne nennenswerte Bedeutung für die Verkehrssicherheit“ zu bezeichnen und die dafür vorgesehenen Bußgelder zwischen zehn und maximal 35 Euro beizubehalten. Nach Auffassung des Ministeriums wäre die Anhebung der Regelsätze um etwa 30 % allein schon als Angleichung an die seit der letzten Festlegung gestiegenen Lebens-haltungskosten notwendig.
Nach wie vor nehmen die durch den Kraftfahrzeugverkehr verursachten Fußgänger- und Radfahrerunfälle in den kommunalen Unfallstatistiken Spitzenplätze ein. Ursache sind mehrheitlich Verstöße der Kraftfahrer gegen die Straßenverkehrs-Ordnung. Dennoch werden Sachbeschädigungen an Kraftfahrzeugen mit höheren Bußgeldern belegt als Behinderungen oder gar Gefährdungen von Menschen zu Fuß oder mit dem Rad. Dies ist ein falsches Signal an Auto fahrende Bürger und auch an die Ordnungskräfte der Kommunen.
Dieser Artikel ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 3/2008, erschienen.
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