Verkehrsrecht
Neue Mobilitätshilfenverordnung 2009: Reaktionen des Bundesverkehrsministeriums und der Bundesländer
Segways: Gesetzesänderung rollt auf uns zu
Wir hatten nach der Berichterstattung über die drohende Zulassung von Motorfahrzeugen auf Gehwegen im letzten Heft keine zweite Folge geplant. Doch die mobilogisch 4/07 war noch nicht gedruckt, da flatterte uns die Androhung einer Unterlassungsklage ins Haus. Deren Verhinderung kostete uns knapp 1.400,- Euro und zeigte, wie „beinhart“ die Firma Segway bei kritischen Anmerkungen über ihre „Stehfahrzeuge“ vorgehen kann. Während Minister Tiefensee am 8. November FUSS e.V. mitteilte, dass er nicht beabsichtige, eine Rechtsverordnung zur Nutzung der Segways im öffentlichen Raum auf den Weg zu bringen, beschloss der Bundesrat schon am 20. Dezember, dass die Länder genau dies vom Bundesminister erwarten.
FUSS e.V. hat im Oktober und noch einmal im November 2007 alle Verkehrsminister der Länder aufgefordert: „Sichern Sie für das Zu-Fuß-Gehen Routen und Flächen, auf denen sich Menschen möglichst gefahrfrei und unbehindert fortbewegen können. Wenn Sie mit den Segways Kraftfahrzeuge auf Gehverkehrsflächen zulassen, können Fußgänger behindert, gefährdet oder sogar verletzt werden. Eine Zulassung würde darüber hinaus Hemmungen bei Radfahrern und Parkplatz suchenden Autofahrern noch weiter heruntersetzen, Fußgängerflächen ordnungswidrig mitzubenutzen. Wir appellieren deshalb noch einmal an Sie, Segways und vergleichbare Motor-Roller bzw. Scooter nur dort zuzulassen, wo bereits ähnliche Motorfahrzeuge, wie z.B. Mofas zugelassen sind.
Wir bestreiten nicht den positiven Umwelt- und Klimaaspekt von leisen Elektrofahrzeugen gegenüber dem Pkw. Zur Erschließung dieser Effekte müssten Sie konsequenterweise eine höhere Geschwindigkeit und damit das Fahren auf Motorverkehrsflächen zulassen, um ein attraktives Angebot zum Umsteigen zu schaffen. Mit z.B. 6 km/h treten Motor-Roller wahrscheinlich nicht einmal für Kurzstrecken mit dem Pkw in Konkurrenz. Mit einer solchen Geschwindigkeit sollte der Mensch allein schon aus Gesundheitsgründen zu Fuß unterwegs sein.“
Mit dem Segway von Land zu Land
Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Sachsen erachteten es nicht als notwendig, zu antworten. Rheinland-Pfalz prüfte und Sachsen-Anhalt erdreistete sich am 5. Dezember mitzuteilen: „Einzelheiten zu Regelungen einer etwaigen Segway-Nutzung auf öffentlichen Straßen werden dort (im Bundesrat)...derzeit nicht diskutiert.“ Dort aber wurde diskutiert und seit dem 23. November lag ein Entschließungsantrag Hamburgs und des Saarlandes vor. Die anderen Bundesländer haben sich mit Schreiben an den FUSS e.V. eindeutig positioniert. Es gibt eine erstaunliche Vielfalt an Standpunkten und eine offensichtliche Einigkeit darin, dass „noch ein erheblicher Diskussionsbedarf besteht und nur eine bundeseinheitliche Lösung durch das zuständige Bundesministerium sinnvoll ist.“ (aus dem Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg).
Fünf sind eher vorsichtig
Das Bayerische Staatsministerium des Innern teilte mit, dass bereits im Juli 2007 eine restriktive Regelung erfolgte und Segways mit den Mofas gleichgestellt wurden. „Aus wohlverstandener Sorge um das Wohl insbesondere von älteren Fußgängern und kleiner Kinder ist zudem die Benutzung von Fußgängerverkehrsflächen durch Segway in unserer Regelung bewusst ausgeschlossen worden.“
Auch in Baden-Württemberg hält man die vorgebrachten „Risiken und Nutzungskriterien...auf öffentlichen Fußgänger-Verkehrsflächen... für wichtig.“ Bis zu einer bundeseinheitlichen Regelung will man die „restriktive Vorgehensweise beibehalten“ mit „bis zu 6 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit als Mobilitätshilfe für nachweislich gehbehinderte Personen...“ („Ersatz-Krankenfahrstuhl“).
In Berlin hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung mit Ausnahme einer touristischen „Stadtführung auf einer festgelegten Wegstrecke“ (max 10 Segways) bisher weitere Zulassungen abgelehnt und mitgeteilt, dass „die Sicherheit der Fußgänger als schwächste Gruppe aller am Verkehr Beteiligten bei allen Betrachtungen oberste Priorität genießt.“
In Hessen sind Segways bereits zugelassen, allerdings nicht in Fußgängerzonen und auf Gehwegen nur dann, wenn es sich um gemeinsame Geh- und Radwege handelt. Dagegen dürfen Segways auf innerörtlichen Fahrbahnen, Fahrradstraßen, Radwegen und in Tempo-30-Zonen gefahren werden.
Eher vage äußerte sich der Freistaat Thüringen, dass er die Nutzung von Gehflächen für denkbar hält „(z.B. Stadtführung)“.
Sechs sind sich recht sicher
Die Befürworter der Zulassung von Segways auf Fußgängerflächen beziehen sich auf die in der mobilogisch! 4/07 dargestellten Studie und folgern daraus, dass „die bisherigen Erfahrungen keine negativen Auswirkungen gezeigt haben.“, so z.B. der Minister für Infrastruktur und Raumordnung Brandenburg. Er hat „keine Bedenken gegen die Zulassung dieses innovativen Verkehrsmittels, zumal es umweltfreundlich ist und gehbehinderten Verkehrsteilnehmern die Teilnahme am Straßenverkehr erleichtert.“
In Hamburg wurden darüber hinaus durch Ausnahmegenehmigungen „eigene praktische Erfahrungen im Alltag gesammelt“ und aufgrund dieser spricht sich die Behörde für Inneres nicht nur für eine generelle Zulassung auf Fußgängerflächen aus, sondern für sie sind Segways Fußgänger: Segways führen nicht zu „Konflikten mit anderen Fußgängern.“
In Nordrhein Westfalen werden Ausnahmegenehmigungen erteilt, nach denen „Fußgängerverkehrsflächen nur dann benutzt werden (dür-fen), wenn diese durch Zeichen 240 mit dem Radweg verbunden sind, oder keine Radwege vorhanden sind.“ Da bekanntlich zahlreiche Straßen keine Radwege haben, bedeutet dies eine Freigabe der Gehwege. Das Saarland erteilt ebenfalls Sondergenehmigungen unter der Bedingung, „dass der Fahrer in Bedienung und Steuerung eingehend geschult wurde, Fußgänger dürfen weder gefährdet noch behindert werden; wenn nötig muss der Segway-Fahrer warten.“ Damit wurde sozusagen die Schutzregel für Fußgänger auf Fahrbahnen (StVO §1(2) auf Gehwege übertragen, was ja auch logisch ist, wenn man Gehwege zu Fahrbahnen macht.
In Schleswig-Holstein wurden Segways seit Anfang Dezember 2007 eigentlich auf allen Verkehrsflächen zugelassen, Ausnahme: außerörtliche Fahrbahnen, Kraftfahrstraßen, Autobahnen (schade eigentlich).
Der Senator für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa der Freien Hansestadt Bremen reagierte als einziger bundesdeutscher Minister der Grünen besonders erfreut: „keine Abgase, kein Lärm, geringer Flächenverbrauch“. Woraus er umgehend folgerte: „Ich... stehe daher auch einer Nutzung auf Fußgängerverkehrsflächen positiv gegenüber.“ Er beantwortete die vom FUSS e.V. angeschnittene Fragestellung mit dem „geringen Konfliktpotenzial.., das unter dem von Fahrrädern oder Inlineskatern anzusiedeln ist“, ohne anzugeben, wie er darauf käme. Er räumte ein, dass sich die Studie auf eine knappe Versuchsdauer von ca. drei Monaten bezieht „und die Anzahl der eingesetzten Segway (ca. 10) so gering war, dass ein wissenschaftlichen Maßstäben genügender Versuchsablauf zumindest in Frage gestellt werden könnte.“ Und jetzt kommt etwas, was zum Nach- und Weiterdenken Anlass geben sollte: „Ursprüngliche Überlegungen der Bundesanstalt für Straßenwesen, ein Forschungsvorhaben mit einer Dauer von 18 Monaten durchzuführen, hätte Kosten in Höhe von ca. 100.000 Euro ausgelöst und wären von der Firma Segway nicht mitgetragen worden.“
Fazit
Man kann zur Zeit von einer Durchsetzung nach dem Chaos-Prinzip unterschiedlichster und teilweise kurioser Länder-Regelungen ausgehen. Abzusehen ist nicht, ob es dabei bleiben wird, sich auf eine zumindest unzureichende Studie zu berufen. Erkennbar ist, dass mit einer möglichen Zulassung von Motorfahrzeugen auf Gehwegen auch eine Veränderung des Charakters der Gehflächen einher gehen wird. Die meisten Bundesländer stehen „technischen Neuerungen und innovativen Ideen grundsätzlich offen gegenüber“ (Rheinland Pfalz), wenn sie sich nur nicht auf den Autoverkehrsflächen abspielen.
Dieser Artikel von Bernd Herzog-Schlagk ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 1/2008, erschienen.
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Neue Mobilitätshilfenverordnung 2009: Verkehrsmittel Segway aus der Sicht des Fußverkehrs
Segways: Wenn Füße zu Rollen werden
Motorfahrzeuge haben mit Ausnahme von Rollstühlen mit Elektromotor und Fahrzeugen des Winterdienstes auf Gehwegen nichts zu suchen. Das soll nun anders werden, wenn es nach dem Willen der Firma Segway geht, die eine weltweite Werbestrategie führt, damit die Motorfahrzeuge ganz generell auf Fußgängerflächen zugelassen werden. Einige europäische Staaten haben bereits per Ministererlass verfügt, dass Segways „keine Fahrzeuge“ sind. Andere befinden sich gerade im Entscheidungsprozess, was für Deutschland noch für das Jahr 2007 angekündigt wurde.
Segways sind einachsige Fahrzeuge mit einem Elektromotor und zwei seitlichen Reifen. Die Benutzer/innen stehen etwa 25 cm über dem Straßenniveau und halten sich an einer Lenkstange fest. Das Fahrzeug wiegt etwa 50 Kilogramm und hat eine Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h, kann aber bis zu 26 km/h fahren (1). Momentan sind die Nichtzulassung im Straßenverkehr und der Preis von ca. 5.000 Dollar Barrieren für eine Eroberung der Gehwege. Die Firma Segway setzt auf gefügige Gesetze und darauf aufbauend auf Massenproduktion.
Eine faszinierende Technologie
Das Segway wird zwar in der Werbung als „weltweit erstes selbstbalancierendes Fortbewegungsmittel für Menschen“ gepriesen, ist es aber genauso wenig wie ein Automobil von selbst mobil ist. Der Mensch muss balancieren: Er fährt schneller, je weiter er sich nach vorne beugt, wenn er sich nach rechts kippt nach rechts und wenn er sich nach hinten lehnt, wird gebremst. Vergleichbar mit seinem zweiachsigen Verwandten scheinen die Segways ihre Benutzerinnen und Benutzer offensichtlich in einen Rauschzustand zu versetzen.
So z.B. auch den taz-Autor Hannes Koch (15.5.2007): „Sie sind der Star des Trottoirs. Leicht erhöht schweben sie dahin - eine Attraktion“. Dabei kommt er gar nicht auf die Idee, welche Auswirkungen Segways wohl für Kinder, Senioren, Behinderte und ganz allgemein auf Fußgänger haben könnten. Zeitgeistgedanken lassen häufig keinen Raum für soziale Aspekte.
Das reine Vergnügen
Vorgerechnet wird der geringe CO2-Ausstoß: Segways geben ca. 14 Gramm pro Kilometer des klimafeindlichen Gases in die Luft (Angabe der Firma), das entspricht etwa 1/10 des Ausstoßes eines durchschnittlichen Pkw´s. Wen wundert das, handelt es sich doch um den kleinsten auf dem Markt befindlichen Personenkraftwagen, mit dem kaum zusätzliches Gepäck befördert werden kann. „Der Segway ist... weder ökologisch noch energieeffizient, weil mit einem solchen im allgemeinen Wege zurückgelegt werden, die sonst zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt würden. Er wird kaum Autofahrten ersetzen...“ (2). und ist als Fahrzeug für die üblichen Fahrtzwecke mit Ausnahme des Freizeitverkehrs kaum geeignet. Wenn Segways auf Gehwegen fahren, wird dieses zusätzlich das Klima belastende Vergnügen einzelner dazu führen, dass die Gehwege noch unattraktiver und gefährlicher für Fußgänger werden und diese auf andere Verkehrsmittel und auch aufs Auto umsteigen.
Wirklich Bein-drückend
Beeindruckend ist die Flexibilität der Durchsetzungsstrategie der Firma Segway, die das Fahr-zeug in Deutschland gerne als eine „Mobilitätshilfe“ darstellt, darauf abzielend, die Gesetzgeber könnten es als eine Art „stehender Rollstuhl“ auf Gehwegen zulassen. Das kommt recht dreist daher, z.B.: „Testen Sie den Segway, ein Verkehrsmittel der Zukunft!? Erfahren Sie auf einem Parcours, welche Schwierigkeiten Blinde und Sehbehinderte bei der Mobilität im Straßenraum bewältigen müssen. Sehen Sie, welche neuen Möglichkeiten barrierearme Infrastruktur bieten kann“ (3). Abgesehen davon, dass die Segways auf Gehwegen eine enorme Gefahr für sehr viele Mobilitätsbehinderte und vor allem auf für Sehbehinderte darstellen würden, ist das viel zu schwere Fahrzeug für die meisten Behinderten kaum eine Hilfe.
Die richtige Bedienung setzt eine volle Beweglichkeit und vor allem ein sehr gutes Gleichgewichtsgefühl voraus. Darüber hinaus können die allermeisten Rollstuhlfahrer eben gar nicht stehen und eines der Probleme der Segways dürfte es sein, dass selbst bei gesunden Menschen „Taubheitsgefühle und leichte Schmerzen in Füßen und Beinen auf(traten), bedingt durch das lange, bewegungslose Stehen“ (1). Es ist schon kurios, dass Segways gerade bei sportlichen und gesundheitsbewussten Menschen eine derartige Begeisterung hervorrufen, wo sie doch die Inaktivität und damit auch die Fettleibigkeit fördern.
Ein fahrendes Nicht-Fahrzeug
In den USA „gelang es der Firma Segways durch massives Lobbyieren..., in 33 Bundesstaaten eine Gesetzesänderung zu erwirken, die dem Gefährt das Befahren von Bürgersteigen erlaubt - prinzipiell“. Es wurde zum „Nicht-Fahrzeug“ erklärt. Die Entscheidung vor Ort aber treffen dort die Bürgermeister. Sehr bald folgten Städte San Francisco, wo die Benutzung wegen der Unfallgefahr verboten wurde. „Auf den Bürgersteigen New Yorks ist nicht genug Platz für Fußgänger, geschweige denn Segways“ (4).
Zur Zeit wird Europa intensiv unter Handlungsdruck gesetzt. In Italien, Ungarn, Frankreich und Spanien (Schrittgeschwindigkeit), in Tschechien (max 5 km/h), in Portugal und Griechenland (keine Tempobegrenzung) sind die Fahrzeuge bereits unter Zugrundelegung der für Fußgänger geltenden Regelungen auf Fußgängerflächen zugelassen. In der Regel wurden sie mit einem Ministerialerlass wie in den USA als „keine Fahrzeuge“ deklariert. In Österreich gibt es nur eine Zulassung auf Radwegen (5). Die niederländische Polizei hat dagegen seit dem 1.1.2007 den Gebrauch von Segways auf Straßen, Geh- und Radwegen generell verboten. Da der Segway ein Kraftfahrzeug ist, braucht er nach dem niederländischen Gesetz ein ordnungsgemäßes Bremssystem (6). „Wichtige Märkte wie Großbritannien, Schweiz und Belgien warten die Entscheidung aus Deutschland ab“ (7).
Keine Gefahr für die Bevölkerung
Segways sind Kraftfahrzeuge, für die die Fahrbahnbenutzungspflicht gilt. Bei der derzeitigen Rechtslage in Deutschland ist der Einsatz derartiger Fortbewegungsmittel im Straßenverkehr nicht zulässig. Die Zulassung von Segways beschäftigt den Bund-Länder-Fachausschuss seit etwa fünf Jahren (8). Im August 2006 wurde als Entscheidungshilfe eine Studie der TU Kaiserslautern vorgelegt (1).
Als Testpersonen waren ausschließlich uniformierte Beamte im Einsatz und es gab weniger als eine Stunde effektive Videodokumentation realer Fahrsituationen, ansonsten ging es bei der Erfassung weitestgehend darum, wie die Polizeikräfte mit diesem fahrbaren Untersatz zurecht kamen. Es wurden lediglich die Fahrer/innen und nicht möglicherweise betroffene Fußgänger/innen befragt. Dabei waren zwei Drittel der fortgeschrittenen Testfahrer nicht in der Lage, die für Fahrzeugzulassungen gesetzlich vorgeschriebenen Verzögerungswerte bei Notbremsungen zu erfüllen. Gemessen wurden Anhaltewege von bis zu 4 Meter Länge, Anfänger benötigten bis zu 7,50 Meter. Ein Segway kann übrigens nach Absprung oder Abwurf des Fahrers mindestens zehn Meter weiter rollen, wie ein Eigenunfall eines Testfahrers zeigte. Ungefährlich sind die Segways nach dieser Untersuchung ganz offensichtlich nicht. So werden von 60% der Testpersonen Helme gefordert, sowie von einem Drittel der Testpersonen eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 3 bis 4 km/h und „eine Klingel als Gefahrsignal”.
Fußgänger/innen haben sich mehrmals erschreckt, „gelegentlich kam es zu Interaktionen und selten zu Zusammenstößen”. Es gab in der Testzeit, die nicht mit einer konkreten Betriebsstundenangabe beziffert wird, ein Unfall mit Beteiligung eines Fahrrads und sieben Eigen-unfälle. „Interaktionen und Konflikte mit anderen Verkehrsteilnehmern kamen gelegentlich vor, nach der Erinnerung der Teilnehmer während des gesamten Pilotzeitraums rund zwanzigmal pro Teilnehmer...”. Trotz der aufgetretenen und nur teilweise erfassten Interaktionen und Konflikte mündet das Forschungsprojekt in folgendem Fazit:
- „Nach der Erfahrung und Einschätzung der Pilotteilnehmer sind die Fahrbahnen von Hauptverkehrsstraßen und Tempo-30-Zonen gar nicht bis bedingt für den Segway geeignet, Radverkehrsflächen, Fuß- und Gehwege, Fußgängerzonen und verkehrsberuhigte Bereiche dagegen sehr.” Die Kernaussage:
- „Wir empfehlen die Zulassung des Segway mit Schrittgeschwindigkeit (maximal 7 km/h) auf Gehwegen, in Fußgängerzonen und verkehrsberuhigten Bereichen und mit der bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h auf Radverkehrsflächen.”
Leider ist in der Studie, die einige Gefahrensituationen in im Fahrbetrieb dokumentiert, keine überzeugende Grundlage für diese Empfehlung auszumachen. Das Problem, dass eine etwaige Segway-Zulassung ein Präzedenzfall für die allgemeine Zulassung anderer Fahrzeuge auf Gehwegen werden würde, z.B. größere „Scooter” konkurierender Hersteller oder Fahrräder, darf nicht unterschätzt werden.
Darüber erscheint es sehr unrealistisch, die Höchstgeschwindigkeit auf Gehwegen durchzusetzen. Es sind ähnliche Probleme zu erwarten, wie sie schon bei der Mischung von Fahrrad- und Fußgängerverkehr auf schmalen Wegen auftreten. Wenn ein weiterer Konfliktpartner hinzukommt, verschlechtert sich die Ausgangssituation. Da nutzt die (subjektive) Einschätzung der Forscher wenig, das Konfliktpotenzial von Segways sei „unter dem von Fahrrädern oder Inlineskatern anzusiedeln”.
Inzwischen hat etwa die Hälfte der Bundesländer Ausnahmegenehmigungen verabschiedet, die meist ein „langsames” und „rücksichtsvolles” Befahren von Gehwegen und Fußgängerzonen zulassen, darunter Brandenburg, Hamburg, NRW, Rheinland-Pfalz, Saarland und Sachsen-Anhalt.
Bayern ist dabei noch am fußgängerfreundlichsten: Dort dürfen Segways grundsätzlich nur fahren, wo Mofas verkehren dürfen. Mit einer bundeseinheitlichen Regelung wird bis März 2008 gerechnet, nachdem die Mehrheit der Bundesländer eine solche eingefordert hat. Vom Bundesverkehrsministerium ist als Mindestbedingung eine Mofa-Fahrerlaubnis angedacht. Als Verkehrsflächen werden geprüft: 1. Fußgängerwege und –zonen, 2. Fahrradwege und –straßen, 3. Verkehrsberuhigte Bereiche (Zeichen 325 StVO), 4. Fahrbahnen in Tempo-30-Zonen sowie 5. Sonstige innerörtliche Fahrbahnen, soweit keine Sonderwege vorhanden sind.
Räder statt Bleifuß
„Ein Segway verwandelt Füße in Räder und ist das innovativste Fortbewegungskonzept der vergangenen Jahrzehnte“ (9). Die Firma meidet das Wort „Fahrzeug“, das „Gerät“ hat lediglich „statt Muskeln einen Motor.“ Dass sie ganz augenscheinlich darauf setzt, auf Gehwegen zugelassen zu werden, ist selbst in ihrer Werbung erkennbar: „Jeder Segway HT ist so konzipiert, dass er überall funktioniert, wo Menschen gehen.“ (5).
Und wenn böse Skeptiker schon 2002 warnten „auf dem Bürgersteig jedoch...könnte sich der Segway als echter Rentner-Killer erweisen“ (4), so kommen die Senioren als Fußgänger in der Darstellung schlichtweg nicht vor. Senioren sind dagegen die Zielgruppe der Motorisierung und würden doch mit der Benutzung dieses High-tech-Roller häufig überfordert sein. So konnte sich der US-Präsident anlässlich der Feier zum 79. Geburtstag seines Vaters George Bush im Jahre 2003 nur mit einem Sprung vor einem Aufprall retten (10). Der Segway fuhr mit seinem „intelligenten Netzwerk aus Sensoren, mechanischen Komponenten...und Kontrollsystemen“ alleine weiter.
In Kürze
Segways werden laut Potenzialabschätzung in der Studie voraussichtlich zu einer Reduzierung des Fahrradverkehrs und nicht des Kfz-Verkehrs führen. Das kann kein verkehrspolitisches Ziel sein, zumal sich gleichzeitig die Verkehrsbedingungen und die Aufenthaltsqualität insbesondere für Fußgänger und Mobilitätsbehinderte verschlechtern würden. Wenn Segways auf Gehwegen zugelassen oder auch „nur“ toleriert werden, gibt es kaum noch eine verständliche Erklärung dafür, warum das Fahren mit dem Farrad verboten sein sollte. FUSS e.V. schlägt vor, Segways wie Mofas zu klassifizieren und fordert, das Fahren auf Gehflächen weiterhin strikt zu untersagen.
Quellennachweise:
- André Darmochwal, Hartmut H. Topp: Segway in public spaces, Institut für Mobilität & Verkehr der Technischen Universität Kaiserslautern (Hrsg.) im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung, vertreten durch die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), April 2006
- Marléne Butz: „Segway“ - Ein neues Fahrzeug bedroht die Gehflächen“, in „Fussverkehr“, 2/07, Fussverkehr Schweiz (Hrsg.)
- aus einer Einladung zu den Internationalen Verkehrstagen in Wuppertal im März 2007 mit dem Thema: „Verkehrsinfrastruktur für eine alternde Gesellschaft“.
- Segway verändert Gesetzbücher, Spiegel-Online, 20.1.2003
- www.segway.de > allgemeine Geschäftsbedingungen > Ziffer 8 Zulassung , 1.10.2007, aber Stand Oktober 2005
- world-carfree-news_ger, Ausgabe Nr. 39, Januar 2007
- Reinhold Eder, Geschäftsführer Urban Mobility Germany, Spiegel-Online 2.4.2006
- z.B. Stellungnahme der Straßenverkehrsbehörde Koblenz vom 4.7.2006
- Segway in Bayern: Sondergenehmigung ist erster Schritt in richtige Richtung, André Zeitsch, SegwayTour Munich, PR 13.8.2007
- Segway-Ausflug - Wie Bush vom Roller fiel, Spiegel-Online, 14.6.2003
Dieser Artikel von Bernd Herzog-Schlagk und Arndt Schwab ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 4/2007, erschienen.
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Neue Mobilitätshilfenverordnung 2009: Stellungnahme des FUSS e.V. an das Bundesverkehrsministerium
1. Wir halten die von Ihnen unter A. aufgeführten Vorteile der Segways für zutreffend, wenn es gelingt, dass Fahrerinnen und Fahrer von Kraftfahrzeugen Segways z.B. auf städtischen Wegen anstelle ihrer Personenkraftwagen benutzen. Dies kann nach unserer Auffassung nur gelingen, wenn Segways in Konkurrenz zu anderen Kraftfahrzeugen mit höherem Energiebedarf und Lärm das für den Kraftfahrzeugverkehr geschaffene Wegenetz in angemessener Geschwindigkeit halbwegs komfortabel mitbenutzen können. Segways können günstigenfalls, wenn das Netzangebot attraktiv ist, im Alltagsverkehr kurze Pkw-Fahrten ersetzen. Wir haben aufgrund der Reaktionen aus verschiedenen Bundesländern den Verdacht, dass bisher zu wenig problematisiert wurde, dass sie im ungünstigsten Fall den motorisierten Freizeitverkehr und damit die Umwelt- und Klimabelastungen sogar noch erhöhen können.
2. Die von Ihnen unter A. besonders hervorgehobene Zielgruppe „mobilitätseingeschränkter Personen“ ist für uns aus allen bisher vorliegenden Unterlagen weder qualifizier- noch quantifizierbar. Wir können uns kein Bild davon machen, für welche Personengruppen oder auch bei welcher Art von Behinderungen Segways konkret eine Mobilitätshilfe darstellen könnten. Aus unserer Sicht sind Segways individuelle Motorfahrzeuge, die aufgrund der stehenden Fahrweise und der notwendigen Körperbeherrschung von gesunden Menschen benutzt werden können, die ebenso Fahrrad fahren oder zu Fuß gehen können. Diese nicht mobilitätsbeschränkten Verkehrsteilnehmer verhalten sich eindeutig nachhaltiger (sozial- und umweltverträglicher) als wenn sie Segways benutzen und sie haben auch persönliche Vorteile (flexibler, bessere Gepäckbeförderung, etc.), soweit ihnen ein attraktives Wegenetz zur Verfügung steht.
3. Erstaunt sind wir darüber, dass Sie im Anschreiben eine dreimonatige Pilotstudie mit elf Probanden der Polizei und des Ordnungsamtes auf Dienstfahrzeugen zitieren, um daraus für die Allgemeinheit möglicher Verkehrsteilnehmer im Alter von über 15 Jahren zu erläutern, dass „Konfliktsituationen zwischen Segway-HT-Nutzern und anderen Verkehrsteilnehmern nicht festgestellt“ wurden. Es freut uns, dass Sie mit dieser Verordnung „nichtdestoweniger“ eine mögliche Gefährdung von Fußgängern ausschließen möchten.
4. Wir begrüßen es, dass Segways im Gegensatz zur bisherigen Diskussion nicht den Fußverkehrsflächen zugeordnet, sondern in §1(2) eindeutig als „Kraftfahrzeuge im Sinne der Straßenverkehrs-Ordnung“ bezeichnet werden.
5. Wir halten die technischen Ausführungen in §4 für unzureichend, da Segways bisher nicht mit zwei voneinander unabhängigen Bremsen ausgerüstet sind, so wie es nach §41 StVZO vorgeschrieben ist. Falls eine Bremse ausfallen sollte, muss es eine zweite Bremse zum sicheren Anhalten geben. Wenn aber beim Segway eine Bremse ausfällt und nur ein Radmotor gebremst wird, kann das gebremste Fahrzeug als rotierender Kreisel andere Verkehrsteilnehmer und auch den Fahrer gefährden.
6. Die laut § 7 den Segways zugedachten Verkehrsflächen halten wir für unzureichend eingegrenzt und nicht eindeutig formuliert. Im Anschreiben wird ausdrücklich vermerkt, „dass die Benutzung des Segway in Fußgängerzonen und auf Fußgängerwegen nicht gestattet wird“. Diese Aussage wird aber im Entwurf so nicht wiederholt und es fehlt eine Definition des Begriffes „Radverkehrsflächen“, auf denen das Benutzen erlaubt ist. Dies aber könnten auch Fußgängerzonen oder Gehwege sein, die für den Radverkehr freigegeben wurden (Zeichen 242 bzw. 239 mit Zusatzzeichen 1022-10 StVO), Radwege ohne Benutzungspflicht („andere Radwege“ nach §23, Abs.4, Satz 3 StVO) oder andere gemeinsame Geh- und Radwege (Zeichen 240 StVO). Der vorliegende Entwurf lässt vermuten, dass auf diesen ohnehin kritischen Gemeinschaftsflächen von Fuß- und Radverkehr Segways mit einer „bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 20 km/h“ (§1(1)) dann auch in der Praxis bis zu 20 km/h gefahren werden. Dies halten wir aus Gründen der Verkehrssicherheit und des Benutzungskomforts für nicht hinnehmbar.
7. In Bezug auf die im Entwurf begründete Einschränkung der zu benutzenden Verkehrsflächen halten wir die Hervorhebung zu §7 in der Begründung 7.) für unsachgemäss, dass es den Ländern unbenommen bleibt, „Ausnahmen von der Vorschrift des § 7 zuzulassen.“ Die Öffnungsklausel in § 10 geht in ihrer allgemein gehaltenen Aussage über §46 StVO (Ausnahmegenehmigung und Erlaubnis) hinaus und ist in dieser Form nicht hinzunehmen. Sie widerspricht der Intention des Entwurfes, die Fußgänger weder zu gefährden, noch zu behindern (§8).Es ist zu beachten, dass alle derzeit bereits erteilten Sondergenehmigungen die Benutzung der Segways auf Gehwegen und auch in Fußgängerzonen teilweise ohne besondere Geschwindigkeitsbegrenzung zulassen. Die uns vorliegenden Stellungnahmen der Länder lassen erahnen, dass damit der vorliegende Entwurf durch Ausnahmegenehmigungen unterlaufen und es zu einer praxisunverträglichen Vielfalt von Sonderregelungen bezüglich der Benutzungsge- und verbote in den Städten Deutschlands kommen wird. Genau dies aber sollte durch eine bundeseinheitliche Verordnung vermieden werden!
Voraussetzung für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ist, dass ein besonderer Einzelfall vorliegt und ihr keine Interessen der Allgemeinheit entgegenstehen (lt. Schurig, zu §46 StVO, Anm.2.4). Sie „sollten nur genehmigt werden, wo das bei verständiger Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und des Einzelnen im öffentlichen Interesse oder zur Vermeidung einer unbilligen, vom VO-Geber nicht beabsichtigten Härte notwendig ist.“ (Bouska / Leue, zu §46 StVO, Anm.1)). Von all dem kann beim Segway nicht ausgegangen werden und insofern muss in §10 hervorgehoben werden, dass die Entscheidung und Intention des VO-Gebers nicht durch Sonderregelungen unterlaufen werden darf.
In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass das Straßenverkehrsrecht nichts anordnen darf, was dem Straßenrecht widerspricht. „In den Straßengesetzen der Länder ist Kraftfahrzeugverkehr auf Fußgänger- und Radverkehrsflächen… grundsätzlich nicht vorgesehen... Die Fläche ´Gehweg´ ist straßenrechtlich dafür gewidmet, dass dort ausschließlich Fußgänger ihren Verkehr abwickeln….Auch Ausnahmegenehmigungen nach §46 StVO dürfen…. nicht dazu führen, dass der Kerngehalt der Widmung bzw. bei Fuß- und Radverkehrsflächen der Widmungseinschränkung auf Dauer beseitigt wird.“ (Kettler, NZV 2/2008, Hinweis auf BVerwG, etc.).
8. Nicht zuletzt möchten wir darauf hinweisen, dass wir es für einen Widerspruch halten, Segways im Wesentlichen wie ein Mofa einzuschätzen und sie als Verkehrsmittel uneingeschränkt den Radverkehrsflächen zuzuordnen. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass im vorliegenden Entwurf keine maximale Breite von „elektronischen Mobilitätshilfen“ angegeben ist, die für eine klare Aussage zur Breite von Radverkehrsanlagen notwendig wäre. Mit der geplanten Zulassung von Motorfahrzeugen auf Radwegen könnten diese unter Berücksichtigung der gewünschten Verkehrsbedürfnisse nicht mehr ausreichend breit sein und es müsste nach derzeitiger Regelung die Benutzungspflicht aufgehoben werden. In diesem Fall wäre ein Radweg und damit Verkehrsfläche zur Benutzung zur Verfügung gestellt, ein Teil der Rad- und Segwayfahrer (lt. §7 des Entwurfes ebenfalls nicht benutzungspflichtig) würde die Fahrbahnen benutzen. Wir können in einer solchen Regelung wegen der knappen Verkehrsflächen in Innenstädten keinen Sinn entdecken.Wir möchten Sie hiermit noch einmal ganz eindrücklich darum bitten, Segways als motorisierten Individualverkehr (MIV) grundsätzlich mit allen Rechten und Pflichten dem Mofa-Verkehr gleichzustellen und dies im Sinne einer Rechtsklarheit auf Bundesebene einheitlich zu verordnen.