Foto: Bernd Herzog-Schlagk,
FUSS e.V.

Gehwegausweitungen werden zumeist als kostengünstige Alternative z.B. gegenüber der Einrichtung einer Lichtsignalanlage angesehen, sind aber mitunter auch sehr wirkungsvolle Elemente zur Verbesserung der Verkehrssicherheit und des Komforts für den Fußverkehr.

Auf folgende Fragestellungen versuchen wir mit Aussagen aus den Regelwerken zu antworten, die im Detail nicht immer mit dem Standpunkt des FUSS e.V. übereinstimmen und nicht als ausreichend oder zielführend betrachtet werden müssen, aber dem derzeitigen „Stand der Technik“ entsprechen:

Welchen Nutzen erbringen Gehwegausweitungen?

Die Sicherheit von Querungsanlagen ist eng mit deren Akzeptanz und Komfort verbunden. In der Regel trägt

a) die punktuelle Verbreiterung des Gehweges und damit die Verkürzung des Querungsweges auf den Park- und teilweise Fahrstreifen durch Fahrbahneinengungen und/oder

b) die Teilung der Querung in mehrere Abschnitte mit einer ausreichend tiefen Aufstell- bzw. Wartefläche in der Mitte

zur Akzeptanz der Querungsanlage bei (EFA 3.3.1).

Dabei sollen die Querungsanlagen die Nutzung des Straßenraums widerspiegeln:

In einfacher Form ausgeführt, stellen vorgezogene Seitenräume und Mittelinseln in der Regel eine kostengünstige Querungsanlage dar.

Welchen Sinn haben vorgezogene Seitenräume und wie sind sie auszubilden?

Darstellung: Leon Baur,
FUSS e.V. (zum Vergrößern: Rechtsklick - Grafik anzeigen)

Vorgezogene Seitenräume werden in Deutschland auch als „Gehwegnasen“ bezeichnet und könnten auch als „Fußgängerkaps“ bezeichnet werden - im Vergleich zu den gängigen Begriffen „Haltestellenkap“, „Buskap“ oder „Straßenbahnkap“, die letztlich eine ähnliche Wirkung haben sollen.

Sie erhöhen die Verkehrssicherheit und den Querungskomfort für den Fußverkehr ganz erheblich, weil sie den Sichtkontakt mit den übrigen Verkehrsteilnehmern verbessern (EFA 3.3.3.2) und die Länge des zu überquerenden Straßenabschnittes verringern. „Wo haltende Fahrzeuge, Bäume und andere Hindernisse am Straßenrand die Sichtweite einschränken, ist die Sicht z.B. durch in die Fahrbahn vorgezogene Aufstellflächen (Gehwegverbreiterungen) für und auf die Fußgänger sicherzustellen.“ (R-FGÜ 2.2 (1))

„Vorgezogene Seitenräume entstehen, wenn Parkstreifen oder Grünstreifen bereichsweise unterbrochen werden. Durch die Anlage von vorgezogenen Seitenräumen über die Tiefe von Parkständen hinaus können Gefahren durch Sichtbehinderung wegen parkender Fahrzeuge am Fahrbahnrand vermindert werden.“ (RASt, 6.1.8.4). Sie sollten mindestens 5,00 m lang sein (RASt, 6.1.8.4) und mindestens 30 bis maximal 70 Zentimeter vor die am Straßenrand parkenden Autos herausreichen (RASt, 6.1.8.4; EFA, 3.3.3.2).

„Neben Radfahrstreifen kommen vorgezogene Seitenräume nicht in Frage“ und wegen der Verminderung der Sichtbehinderungen ist einseitiges Parken dem zweiseitigen vorzuziehen (EFA 3.3.3.2).

Umsetzungsempfehlung / Es geht auch besser

Welche Wirkung haben Mittelinseln und wie sind sie auszubilden?

Darstellung: Leon Baur,
FUSS e.V. (zum Vergrößern: Rechtsklick - Grafik anzeigen)

Mittelinseln verringern das Unfallrisiko und erleichtern die Fahrbahnquerung, da immer nur eine Fahrtrichtung zu beachten ist. Sie sollten in möglichst direkter Verbindung der häufigsten Fußgängerüberquerungslinien liegen, da eine Konzentration auf die Insel, wie auch auf andere punktuelle Überquerungsstellen, ohne Eingriff in die Freizügigkeit der Fußgängerbewegungen nicht zu erwarten ist (EFA 3.3.3.1). Die Anlage von Mittelinseln in einem Abstand von maximal 80 Metern kann eine annähernd linienhafte Querung ermöglichen (EFA 3.3.3.1), wobei zu prüfen ist, ob nicht ein durchgängiger Mittelstreifen auszubilden ist.

Die widersprüchlichen Angaben der erforderlichen Tiefe von Mittelinseln in den derzeitigen Regelwerken weist auf die Herausforderung hin, diese in einer - für den wenn auch nur kurzfristigen Aufenthalt von Menschen notwendigen - Tiefe in den Straßenquerschnitt zu integrieren. Demnach sollen Mittelinseln mindestens 2,00 Meter, bei Mitbenutzung durch Fahrräder und Rollstuhlfahrer 2,50 Meter tief sein (RASt, 6.1.8.2 u. 6.1.8.3). Sie „sind erst ab einer Tiefe von 2,50 Meter durch Menschen mit Rollstuhl ohne Einschränkungen nutzbar, anzustreben sind größere Tiefen [...].“ (H BVA, 3.3.). Auch auf außerörtlichen Straßen sind Mittelinseln in der Regel 2,50 Meter tief anzulegen (RAL, 6.8.2). Einschränkend gilt für Stadtstraßen, dass bei „Notwendigkeit“ auch Mittelinseln kleinerer Tiefen, wie z.B. 1,60 m, als Querungshilfe möglich sind (RASt, 6.1.8.2), davon darf eine Tiefe von 1,50 Meter nicht befahrbar sein (EFA, 3.3.3.1).

Mittelinseln sollten innerorts in Höhe der Querung 2,50 bis 3,00 m breit sein, größere Maße wie 3,00 m sind anzustreben (EFA, 3.3.3.1). Bei Außerortsstraßen sollen Mittelinseln mindestens 4,00 m breit sein (RAL, 6.8.2).

Mittelinseln können mit oder ohne Verschwenkung der Fahrstreifen ausgebildet werden (EFA, 3.3.3.1). Eine Verminderung der Fahrgeschwindigkeit kann erreicht werden, indem ein Versatz der Fahrbahn um mindestens ihre eigene Breite vorgenommen wird (EFA 3.3.3.1).

Welchen Zwecken können Mittelstreifen dienen?

Mittelstreifen verringern das Unfallrisiko und erleichtern die Fahrbahnquerung, da immer nur eine Fahrtrichtung zu beachten ist. Sie „dienen insbesondere dem linearen Überquerungsbedarf, wie er z.B. in Stadtstraßen mit beidseitigem Geschäftsbesatz auftritt. Zusätzlich können sie folgende Elemente aufnehmen:

Ein gepflasterter Mittelstreifen kann als Querungshilfe dienen, ohne die Querung an konkrete Punkte zu binden (ESG,3.1.4). „Ist eine Fahrbahnbreite von mehr als 12 m (max. 15 m) verkehrlich erforderlich, sollte aus gestalterischen Gründen sowie zur besseren Überquerbarkeit ein Mittelstreifen eingeordnet werden.“ (ESG, 3.1.4)

Dienen Mittelstreifen hauptsächlich als Querungsanlage für den Fußverkehr, müssen sie mindestens 2,00 m, bei Mitbenutzung durch Fahrräder und Rollstuhlfahrer 2,50 m tief sein (RASt, 6.1.8.2 u. 6.1.8.3).

Darüber hinaus ergeben sich für Mittelstreifen je nach Zweckbestimmung (Fußgänger, Radfahrer, Parkstreifen, Promenade) unterschiedliche Tiefen (vgl. RASt 6.1.8.3, Tabelle 33). Gehölze im Mittelstreifen bilden Barrieren, können aber auch Promenaden umfassen und so den Straßenraum aufwerten (ESG, 3.1.4).

Sind vorgezogene Seitenräume, Mittelinseln oder Mittelstreifen mit anderen Querungsanlagen kombinierbar?

Die Kombination mit Fußgängerüberwegen (Zebrastreifen) wird in den Regelwerken ausdrücklich empfohlen (R-FGÜ, 1, RASt, 6.1.8.5; EFA, 3.3.4). Insbesondere an Straßen mit hohen Fahrverkehrsstärken kann eine Kombination von FGÜ mit einer Mittelinsel sinnvoll sein (EFA, 3.3.4). Durch die bauliche Trennung der Fahrzeugströme in die zwei Richtungen können sich die Fußgängerinnen und Fußgänger zeitlich nacheinander auf die jeweilige Fahrtrichtung der Kraftfahrzeuge konzentrieren (EFA, 3.3.4) oder eine Ruhepause einlegen. Die durch den Kfz-Längsverkehr nutzbare Fahrbahnbreite sollte an FGÜ höchstens 6,50 m betragen. Ist sie größer als 8,50 m ist der Einbau einer Mittelinsel einer seitlichen Einengung vorzuziehen (R-FGÜ, 3.1 (3)).

„Mittelstreifen und Fahrbahnteiler werden in signalisierten Knotenpunktzufahrten vorrangig als Querungshilfen angelegt, wenn die Sicherheit der Fußgänger und Radfahrer dies bei abgeschalteter Lichtsignalanlage erforderlich erscheinen lässt oder wenn dies die Signalprogrammstruktur insbesondere für die gesicherte Führung der Fußgänger bedingt.“ (RiLSA, 3.4)

Umsetzungsempfehlung / Es geht auch besser

Ist der Einsatz von vorgezogenen Seitenräumen oder Mittelstreifen auch an Haltestellen sinnvoll?

Zur Sicherung der Querung auf die andere Fahrbahnseite an Haltestellen am Fahrbahnrand können folgende Maßnahmen angewendet werden:

Haltestellenkaps schaffen größere Warteflächen, vermeiden Einbauten auf Fußwegen und daraus resultierende Behinderungen des Fußgängerlängsverkehrs (EAÖ, 6.2.1). Warteflächen für den ÖPNV im Seitenraum beanspruchen weniger Raum als Mittelinseln und bieten i.d.R. ein angenehmeres Warten (EFA, 3.4.2). Die Radverkehrsführung im Seitenraum in Verbindung mit Haltestellenkaps ist in der Regel unkritisch (EAÖ, 6.2.1), so steht es jedenfalls im Regelwerk.

Weitere Informationen finden Sie in der Rubrik Haltestellen des öffentlichen Personennahverkehrs ÖPNV.

 

Eine Übersicht über die für den Fußverkehr relevanten Planungsgrundlagen und weitergehende Hinweise finden Sie im Literatur-Register. Die genauen Bezeichnungen der in diesem Abschnitt verwendeten Planungsgrundlagen entnehmen Sie bitte in kompakter Form den Quellenangaben unten auf dieser Seite. Die Links im Text oben führen Sie dagegen zum Literatur-Register, da dort bei manchen Regelwerken zusätzlich weiterführende Literatur genannt wird.

Über die Planungsgrundlagen hinausgehende Informationen finden Sie in der entsprechenden Themengruppe Fußgängerquerung von Fahrbahnen auf unserer Website www.fuss-ev.de und in den Kapiteln „Mittelinseln“, „Mittelstreifen“ und „Gehwegnasen“ unserer Veröffentlichung „Querbuch“, in dem Sie erfahren, wie Fußgänger am besten über die Straße kommen. Diese Broschüre können Sie für nur 4,00 Euro (ab 5 Exemplaren 2,50 Euro) + Versandkosten in unserem Online-Shop in der Rubrik Broschüren > Fußverkehr – Queren bestellen.

Regelwerke

EAÖ - Forschungsgesellschaft für das Straßen- und Verkehrswesen FGSV (Hrsg.): Empfehlungen für Anlagen des öffentlichen Personennahverkehrs EAÖ, Ausgabe 2013

EFA - Forschungsgesellschaft für das Straßen- und Verkehrswesen FGSV (Hrsg.): Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen EFA, Ausgabe 2002

ESG - Forschungsgesellschaft für das Straßen- und Verkehrswesen FGSV (Hrsg.): Empfehlungen zur Straßenraumgestaltung innerhalb bebauter Gebiete ESG, Ausgabe 2011

H BVA - Forschungsgesellschaft für das Straßen- und Verkehrswesen FGSV (Hrsg.): Hinweise für barrierefreie Verkehrsanlagen H BVA, Ausgabe 2011

RAL - Forschungsgesellschaft für das Straßen- und Verkehrswesen FGSV (Hrsg.): Richtlinien für die Anlage von Landstraßen RAL, Ausgabe 2012

RASt - Forschungsgesellschaft für das Straßen- und Verkehrswesen FGSV (Hrsg.): Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen RASt 06, Ausgabe 2006

RiLSA - Forschungsgesellschaft für das Straßen- und Verkehrswesen FGSV (Hrsg.): Richtlinien für Lichtsignalanlagen RiLSA - Lichtzeichenanlagen für den Straßenverkehr, Ausgabe 2010

R-FGÜ - Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur BMVI (Hrsg.): Richtlinien für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen R-FGÜ 2001, Berlin 2001

Literaturverzeichnis

(1) Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, Berlin: Gehwegvorstreckungen, https://www.berlin.de/senuvk/verkehr/politik_planung/fussgaenger/sicherheit/de/gvs.shtml

(2) FGSV 2006, RASt 06, S. 72

(3) MoabitOnline 2013: Was sollen die ganzen Fahrradständer in der Lehrter Straße? https://moabitonline.de/19497